Franz Xaver Gabelsberger Erfinder der Schnellschrift

Mikro-Drama in 3 Aufzügen  ■ Von Wolfgang Bauer

1.Akt

Eine Hochebene. Es ist Ende Oktober. Bedeckter Himmel, vereinzelt lösen sich Schneeflocken. Verlassenheit, ein Krähenschwarm umflattert einen verwitterten Maibaum. Sonst aber keinerlei Erhebung oder Bewegung. Franz Xaver Gabelsberger läuft auf die Bühne, späht zurück und vergewissert sich, daß er allein ist. Aus seiner Weste zieht er einen Dolch, nähert sich auf Zehenspitzen dem Maibaum und befestigt ihn. Dicht unter der Spitze, dort, wo die letzten Fetzen des Kranzes baumeln, hält er, schabt Moos ab. Dann spitzt er den Stamm mit seinem Dolch solange zu, bis eine dicke Grafitmine hervortritt. Auch sie wird feinsäuberlich zugespitzt! Der Kranz wird abgerissen, F.X. Gabelsberger rutscht zufrieden, weiteres Moos abblätternd, zu Boden. Bewundernd schaut er den schönen Bleistift empor, legt ihn dann um, steckt ihn sich hinters Ohr und schleicht auf Zehenspitzen davon.

Eine Krähe: Lump!

Junge Krähen: Gabebega! Gabebega!

Vorhang

2.Akt

Eine Gastwirtschaft. Ein preiswertes und solides Lokal, nur sehr überlaufen. Es herrscht ein Geschrei und Geklapper, daß es kaum zum Aushalten ist. Irgendwo in der Menge sitzt F.X. Gabelsberger, den Maibaum am Ohr.

Gabelsberger: (zu einer Kellnerin) Wie üblich.

Kellnerin: Buchstobmsuppm is heit scho aus, Herr Gablsberger, mia hom nua no Nudlsuppm.

Gabelsberger: Nudeln! (Springt auf.) Nudeln statt Buchstaben! (Stürzt zur Tür hinaus.) Hurra!

Ein Gast: Schnell! Dort ist ein Platz frei!

Vorhang

3.Akt

Ein Schwimmbald. Es gibt aber keine Badegäste, nur Zuschauer. Im Bassin steht nämlich eine rote, zähe Flüs-

sigkeit, in der Nudeln schwimmen. An der einen Schmalseite hängt eine Tafel, die mit blauer Kreide liniert ist (Stenografiezeilen!). Der Bademeister schlägt mit einer Peitsche ins Wasser, zerteilt Nudeln. Ein schriller Pfiff ertönt, F.X. Gabelsberger tritt auf, nimmt Anlauf, schnellt sich, einem Stabhochspringer gleich, mit seinem Riesenblei in die Luft und fällt platschend in die Sauce. Nudeln und Farbe spritzen auf die Tafel, bleiben dort (als Punkte, Krümmungen oder Linien) zitternd kleben. Die Zuschauer machen mißtrauische Gesichter.

Gabelsberger: (rot und voller Nudeln auftauchend) Wäh!

Vorhang

Ende

Wir befinden uns in der niemandslosen Zeit irgendwo zwischen Franz Xaver Gabelsbergers 204.Geburtstag und desselben 144.Todestag. Beim Droschl Verlag (Wien/Graz) erscheinen dennoch, in trotziger Folge, die Werke eines Wolfgang Bauer, Erfinder unter anderem der sogenannten Mikrodramen. Eines der schönsten ist dem Erfinder der Kurzschrift gewidmet und an dieser Stelle nun in Gänze nachzulesen. Wir danken dem Verlag für die Abdruckerlaubnis.