Unpolitischer Regenwaldschutz läuft nicht-betr.: "Umweltminister Lutzenberger gefeuert" und Enttäuschte Erwartungen", von Astrid Prange, taz vom 23.3.92

betr:: „Umweltminister Lutzenberger gefeuert“ und „Enttäuschte Erwartungen“, von Astrid Prange, taz vom 23.3.92

Mit sicherem Instinkt hatte der brasilianische Präsident Ferdinand Collor de Mello im Waldbrandrekordjahr 1988 den etwas kautzig-weltweisen und besonders in Deutschland sehr beliebten Industrieaussteiger José Lutzenberger zu seinem Umweltsekretär gemacht.

Ein geschickter Schachzug, denn mit Lutzenberger wiegte Collor die seit den gefälligen und rechtzeitigen Erscheinungen des heiligen Sankt Greenpeace an wunderwirkende Prediger gewöhnten ökologisch Betroffenen der Industrieländer in wohliger Sicherheit. Wie diese erliegt offenbar jetzt auch die Autorin dieser Kuscheltier-Strategie des jungen brasilianischen Präsidenten.

Dabei mußte, genauer betrachtet, Collor de Mello mit der Klappe Lutzenberger gleich zwei wichtige Fliegen zur selben Zeit schlagen.

Zum einen gelang es Brasilien trotz massiver Waldzerstörung den langanhaltenden Beifall einer politisch oft erschreckend reaktionären Öko-Öffentlichkeit zu ergattern und der Ökoszene ein „unser Mann in Brasilia“ Gefühl zu geben. So mokierte kaum jemand, daß Lutzenberger vor allem für den Regenwald stand und Collor erfolgreich die vielen anderen ökologischen Katastrophen Brasiliens wie Giftmüll, wacklige Atomanlagen oder Pestizidenschweinereien hinter dem symphatischen Rainforestman verbarg.

Auf der anderen Seite aber schützte ein politisch eher ungefährlicher Umweltminister mit internationalem Ansehen Collor vor einer realen Konfrontation mit den eigentlichen, ökonomisch wie politisch enorm potenten Nutznießern der Verwandlung von Urwald in Güter und Dienstleistungen. Nur so konnte Collor das in der Tat brennende Thema Regenwald anfassen, internationales Ansehen und Gelder erlangen, ohne gewissermaßen gleich Feuer an die eigene politische Karriere zu legen.

Nicht der Umweltsekretär sondern die brasilianische Regierungspolitik ist für die Zerstörung des Amazonasgebietes verantwortlich. Das Scheitern Lutzenbergers ist ein Scheitern der Regierung Collor. Sie sieht sich bereits seit geraumer Zeit wachsendem Druck aus der Ecke der Großgrundbesitzer und Militärs' ausgesetzt. Und der Präsident steht, nicht erst nach der Aufdeckung seiner plagiierten Zeitungsartikel, für die er zeilenlang aus den Statuten der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens abgeschrieben, längst selbst mit dem Rücken zur Wand.

Die Entlassung Lutzenbergers erinnert an die banale Erkenntnis, daß Umweltminister Ausführende der Macht und eben doch keine versponnenen Weltverbesserer sind. Mit seinem Federstrich unter Lutzenbergers Amtszeit liefert Collor aber auch den beruhigenden Beweis, daß es unpolitischen Regenwaldschutz, als enorm populäres Tagesthema klug ins bestehende Gefüge politischer Prioritäten eingepaßt anstatt es endlich zur Rettung der Tropenwälder zu verändern, nicht geben kann.

Collor jedenfalls hat bekommen, was er sich von Lutzenberger versprach, einen auch links populären „Politiker“ der, obwohl beständig von Grundsätzlichem sprechend, doch nicht ernsthaft am innenpolitischen Machtgefüge herumsägt.

Wer jetzt von Lutzenberger enttäuscht ist, verwechselt Politmarketing und Problemlösung, zählt Apfel und Birne zusammen — oder waren Sie eigentlich auch enttäuscht als Collor Lutzenberger zum Umweltminister machte? Heinrich Seul, Hamburg