Rumänische Front vor Zerreißprobe

Die in drei Flügel gespaltene rumänische Regierungspartei, die „Front zur Nationalen Rettung“, beginnt heute ihren Kongreß in Bukarest/ Er soll Strategien für Parlamentswahlen erarbeiten  ■ Von William Totok

Mit Spannung erwarten viele Rumänen den Parteikongreß der „Front zur Nationalen Rettung“ (FNR). Die Front ist diejenige Partei, die seit dem Sturz Ceausescus im Dezember 1989 in Rumänien regiert. Während des Wochenendes wollen die Delegierten ihren politischen Standort diskutieren, um für die Mitte Mai angesetzten Wahlen gerüstet zu sein.

Obwohl im Vorfeld des Parteitags jede Strömung geradezu krampfhaft die Einheit der Partei beschworen hat, ist eine Spaltung der Partei jedoch nicht mehr völlig ausgeschlossen. Denn die Gräben zwischen den Flügeln sind groß geworden. Wie groß sie sind, zeigen Informationen aus dem Bukarester Parlament. Denenzufolge wird Petre Roman, der ehemalige Premierminister und Chef der Front, angeklagt, Unterschlagungen begangen zu haben.

Der Schlagabtausch zwischen Präsident Iliescu und Petre Roman hat die Partei in drei Flügel gespalten. Die „Gruppe für die Einheit der FNR“ unterstützt den antireformerischen Kurs Iliescus, der Fraktion „Eine Zukunft für Rumänien“ gehören die Anhänger Petre Romans an. Als Vermittlergruppe definiert sich der FNR-Flügel „Die Zukunft heute“.

Die innere Krise der Front war bereits vor den Kommunalwahlen, die im letzten Monat stattfanden und bei denen die FNR-Kandidaten vor allem in den Großstädten des Landes geschlagen wurden, zum Gegenstand öffentlicher Debatten geworden. Der im September 1991 geschaßte Premier Petre Roman beschuldigte Präsident Iliescu, den wirtschaftlichen und politischen Reformprozeß mit Hilfe der ihn unterstützenden alten Nomenklaturaleute zu bremsen. Dabei hatte Roman selber nur halbherzige Reformen eingeleitet, die sich primär in katastrophalen Preissteigerungen äußerten. Roman versuchte aber die Front im Westen salonfähig zu machen, indem er— stellenweise sogar mit Erfolg— die Regierungspartei im Sozi-Look präsentierte.

Die demokratische Opposition hatte von Anfang an diese Verkleidungsversuche als „neokommunistisches Tarnmanöver“ durchschaut und angeprangert, unterließ aber die ernsthafte Auseinandersetzung mit den sich etablierenden ultranationalistischen Gruppierungen und Parteien, die als Frontsatelliten verharmlost wurden. Gerade die Kommunalwahlen rückten die sich für die demokratische Entwicklung Rumäniens abzeichnende Gefahr seitens rechtsradikaler Parteien — allen voran die „Nationale Einheitspartei der Rumänen“, d.i. die politische Speerspitze der neofaschistischen „Vatra Romaneasca“ (Rumänische Heimstätte) und die Partei „Groß- Rumänien“ — in den Vordergrund. Die Nationale Einheitspartei errang landesweit 6,8 Prozent aller Stimmen und konnte sich somit als drittstärkste Partei (nach der Front mit 38 Prozent und dem Oppositionsblock, dem „Demokratischen Konvent“, mit 30 Prozent) etablieren. Zum überwältigenden Sieg der Nationalen Einheitspartei in zahlreichen siebenbürgischen Ortschaften, in denen der ungarisch-rumänische Konflikt nach wie vor die Gemüter erhitzt, hatten neben der Front sogar „völkisch“ orientierte Vertreter des „Demokratischen Konvents“ beigetragen. Laut einer weitverbreiteten Auffassung ist ein „Blutsrumäne“ immer einem Ungarn als Bürgermeister oder als Kommunalratsmitglied vorzuziehen.

Einzig und allein die als „Intellektuellenpartei“ etikettierte „Bürgerallianz“ versucht sich dem verheerenden Nationalismus innerhalb und außerhalb des „Demokratischen Konvents“ entgegenzustemmen. Der Literaturkritiker und Präsidentschaftskandidat Nicolae Manolescu kritisierte auf der kürzlich in Bukarest stattgefundenen Landeskonferenz seiner Gruppierung die Unterstützung der Ultranationalisten durch einzelne Vertreter der demokratischen Opposition. Gleichzeitig hatte Manolescu auch den unpopulären Mut, dem gerade vom „Demokratischen Konvent“ und der Christdemokratischem moldauischen Volksfront gebildeten „Nationalen Vereinigungsrat“ entgegenzuhalten, daß eine Wiedervereinigung der Moldaurepublik mit Rumänien nicht ohne eine Befragung der Bewohner Bessarabiens stattfinden könne.

Bukarester Gerüchten zufolge versuchen die Nationalliberalen deshalb, den ehemaligen Kulturminister Andrei Plesu, der bereits als potentieller Präsidentschaftskandidat des Roman-Flügels im Gespräch ist, auch als Kandidaten des „Demokratischen Konvents“ vorzuschlagen.

Die ultranationalistischen Gruppierungen wirken wie ein Magnet auf die sozial Verunsicherten. Weitere fundamentalistische Parteien traten auf den Plan. Zuletzt die von dem charismatischen Studentenführer Marian Munteanu gegründete „Bewegung für Rumänien“, die sich auf die Traditionen der christlichen Orthodoxie und des Rumänismus beruft und alle linksorientierten Parteien ablehnt.