: Koalition schont zahnkranken Wedemeier
■ Fücks und Jäger kommen im letzten Moment an der Koalitionskrise vorbei
Das war gestern ein richtiger Scheißtag für Klaus Wedemeier. Am Morgen mußte er dringendst zum Zahnarzt, um sich im Kiefer herumoperieren zu lassen. Und danach, das verstehen wir, hat auch ein Bürgermeister die Lust zum Regieren verloren. Doch ein Unglück kommt selten allein: Per Brief hatten die Grünen am Vortage Wirtschaftssenator Claus Jäger die Freundschaft gekündigt. Koalitionskrise drohte. In den Kalendern wurde schon wegwn einer Extrasitzung des Koalitionsauschusses geblätteret.
Was war passiert? Jäger hatte der Wirtschaftsdeputation eine Vorlage zukommen lassen, wie er in den kommenden beiden Jahren das Geld aus dem Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm auszugeben gedenkt. Als die Grünen genauer lasen, schwante ihnen Böses: „Dieser Jäger ist ein echter Beckmeyer“, soll gar einem durch den Kopf geschossen sein. „Dies hat nichts mit der Koalitionsvereinbarung zu tun“, wurde geschimpft und Fraktionschef Dieter Mützelburg schrieb einen Brief: 1. Mehr Geld für Ökologische Projekte, 2. mehr Geld für umweltverträgliche Energietechniken, 3. mehr für Gewerbeflächenrecycling, 4. Geld für einen Rüstungskonversionsfonds und 5. Geld für Frauenförderung. In der vorgelegten Form werde man dem Haushalt nicht zustimmen. Der Eklat war da. Die FDP antwortete umgehend. Motto: „Wenn ihr unseren Jäger schlagt, schlagen wir alle anderen.“ Konkret: Dann sollten alle anderen angesetzten Haushaltsberatungen in den Deputationen ausgesetzt werden. Der Zeitplan wäre dahin, der haushaltslose Zustand verlängert, am 107. Tag wäre die Ampel im Notstand. Oder wie ein Grüner formulierte: „Der Funke war kurz vor der Lunte.“
Was also tun? Schon Stunden vor der Deputationssitzung begannen die Koalitionäre ihre Vorbesprechung. Und fanden Wege: 32 Millionen EG-Gelder sollen, fest versprochen, alte Gewerbeflächen zu recyceln helfen. Die Frauenförderung soll im Mittelstandsförderungsteil des WAP untergebracht werden. Für Ökologie sollen diverse Projekte konkret ausgewiesen werden. Gesamtansatz 100 Millionen. Nur mit dem Konversionsfond wird es nichts, vorläufig. Und während die Koalitionäre in der Deputation zweieinhalb Stunden berieten, saß Senator Ralf Fücks auf glühenden Kohlen in seiner Behörde und wartete auf das Telefonklingeln. Und es klingelte immer wieder, bis Fücks mit dem ausgehandelten Ergebnis zufrieden war und das Ende der Koalitionskrise absegnete.
Die Deputation setzte sich zur Absegnung des Haushaltes zusammen, Wedemeier durfte zu Hause bleiben und das Schönste für die Koalition: Die CDU hat von dem ganzen Knatsch gar nichts mitbekommen. Guten morgen! Rosi Roland
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