So weit die Füße radeln

■ Bücher und Karten für Pedaleusen und Pedaleure

Natürlich können sich Mann und Frau einfach so auf die Sättel schwingen und ihre Drahtesel ins berühmte Blaue lenken. Spätestens beim dritten Vorbeirollen an ein und derselben Revierförsterei im unübersichtlichen grünen Tann wird aber die Landkarte schmerzlich vermißt. Auch hält sich die Freude in Grenzen, muß der Rückweg in heimatliche Gefilde mit Benzinkutschen auf der Bundesstraße geteilt werden. Beim nächsten Mal nehmen wir aber eine Karte mit! Aber welche?

Der dicke Shell-Atlas kann ruhig auf der Ablage des Autos liegenbleiben. Denn abgesehen von den Kilos, die er aufs Rad bringt, ist er vom Maßstab her wirklich nur für KFZ-NutzerInnen zu gebrauchen. RadlerInnen benötigen genauere Karten in einem größeren Maßstab. Interessanter ist da schon der Kartensatz der Generalkarte aus Mairs Geographischem Verlag. Dieses Kartenwerk ist zwar auch in erster Linie für AutofahrerInnen gedacht, aber der Maßstab 1:200.000 ist diskutabel, stellt er doch einen Kompromiß zwischen detailgenauen, aber kleinräumigen Wanderkarten und großflächigen Übersichtskarten dar. Die Generalkarten, die zu den genauesten Produkten der Kartographie gehören, decken das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, also auch die neuen 5 1/2 Bundesländer, flächendeckend ab, werden regelmäßig aktualisiert und sind preislich erschwinglich. Nachteilig ist das Fehlen von meist unbefestigten, für RadlerInnen aber geeigneten Forst- und Wirtschaftswegen sowie die Unübersichtlichkeit der Karten in Ballungsgebieten.

Aus demselben Verlag stammt Die „Freizeitkarte“, die das Gebiet der früheren BRD nahezu völlig, Österreich und die Ex- DDR teilweise umfaßt. Bei diesem Kartensatz wurde die Generalkarte lediglich auf den Maßstab 1:100.000 hochgepuscht, was zwar die Lesbarkeit erhöht, aber nicht gerade eine ästhetische Augenweide ist. Zusätzlich enthalten die Karten Angaben zu Sehenswürdigkeiten.

Speziell für RadlerInnen konzipiert ist die ADFC-Radtourenkarte, die von der Bielefelder Verlagsanstalt herausgegeben wird. Die Kartographie ist revolutionär. Im Gegensatz zu allen anderen Kartenwerken werden hier die verkehrsarmen, für FahrradfahrerInnen geeigneten Straßen und Wege farblich hervorgehoben, wohingegen die Schneisen für den motorisierten Verkehr in der Farbgebung unterdrückt werden. Als Grundlage dienen topographische Karten der Landesvermessungsämter im Maßstab 1:200.000, die auf den Maßstab 1:150.000 vergrößert und mit speziellen Signaturen unterlegt wurden. In Großstädten und in Ballungsräumen stößt der gewählte Maßstab an seine Grenzen. Nicht jedeR wird auf der Radtour eine Lupe dabeihaben. Von den 27 geplanten Kartenblättern für die BRD sind bislang elf erschienen.

Der Radtourismus boomt wie nie. So haben Vermessungsämter, Fremdenverkehrsbüros und Kleinverlage eine Unzahl von Radwanderkarten für ihre Regionen herausgegeben. Nur der Gang in eine gut sortierte Buchhandlung hilft, das Gestrüpp zu entwirren.

Nicht anders sieht es auf dem Radführer-Buchmarkt aus. Allein für das Berliner Umland konkurrieren wenigstens fünf Werke um die Gunst der RadlerInnen (siehe Rezension in der taz vom 13.7. 91). Das neueste Buch, noch druckfrisch, ist der Rad-Wanderführer Mark Brandenburg— Östlicher Teil der Kompass-Reihe des Deutschen Wanderverlages. Die Radführer dieses renommierten Hauses zeichnen sich durch eine akribische Genauigkeit in den Streckenbeschreibungen aus und decken alle deutschen Lande ab. Die Palette reicht von der Ostseeküste im Norden bis zum Bodensee im Süden, wobei in jüngster Zeit zahlreiche Führer für die neuen Bundesländer erschienen sind.

Der Kettler-Verlag verfolgt eine andere Konzeption. Aus verkehrsarmen Straßen, Wirschafts- und Forstwegen wird ein spinnennetzartiges Raster gewoben, aus dem sich die PedalreitterInnen selbst die Touren zusammensetzen müssen beziehungsweise können. Der Verlag bietet „RegionalRadGeber“ für deutsche Landschaften an, beispielsweise die Mecklenburger Seen in zwei Bänden, aber auch Radführer für ein gesamtes Land wie zum Beispiel Österreich oder Dänemark. Bei den Länderausgaben ist das Spinnennetz oft recht weitmaschig.

Wie bei den Radkarten gilt auch bei den Büchern: Erst der Gang zum Buchhändler bringt den Durchblick. R. Kuntzke