Schmiermittel der Nation

■ Betr.: Artikel und Kommentar zu „100 Tage Ampel“, taz Bremen vom 21.3.92

Der befürchtete Niedergang der demokratischen Kultur konnte auch durch diese Konstruktion nicht abgefangen werden. Die Partner der SPD haben in der Opposition eine bessere Figur gemacht. Traten die dazugehörigen Parteien aber damals schon nur zu Festanlässen in Erscheinung, obwohl sie doch nach der Verfassung an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, so sind sie heute der Appendix des Ampelverdauungstraktes. Da der Dickdarm der Fraktionen nur noch Dünnschiß produziert, war–s das denn auch.

Ein früherer Kollege, der für die SPD-Fraktion gearbeitet hat, sagte mir mal, die F.D.P sei das Schmiermittel, das den politischen Prozessen ihrer Gleitfähigkeit verleiht. Das typische Jägerlatein lautet: heute für die große Werftenlösung und morgen ebenso begeistert für die kleine Lösung. Daß es noch teuerer wird, daß damit ein norwegischer Konzern auf Steuerzahlers Kosten hochgepäppelt wird, interessiert diesen Eitelschwätzer nicht.

Noch bedauerlicher ist die Rolle der GRÜNEN. Sie werden zum Schmiermittel der Nation. Brauchen wir nicht von allem weniger? Müssen wir machtsüchtigen Feiglinge uns von einem 70jährigen Herbert Gruhl sagen lassen, daß „industrieller Fortschritt Verwertung der Natur bedeutet“? Geht es nicht darum, Bereiche des Lebendigen knallhart der Kapitalverwertung zu entziehen, die Brunnenvergifter in die Schranken zu verweisen? Sind denn die GRÜNEN der Illusion der F.D.P. verfallen, nur stetiges Wachstum schaffe Raum für Umweltpolitik?

Großmäulig wird die Unterschutzstellung des tropischen Regenwaldes gefordert. Zu Recht, sagen die dortigen Regierungen, wir sollten erstmal unsere eigenen Hausaufgaben machen. In einem international anerkannten Naturpark Wattenmeer gibt es keine ökologisch vertretbare Trasse für fossile Energie!

Mit dem Schlagwort von der „ökologischen Vertretbarkeit“ können die GRÜNEN in Zukunft die Aufgabe übernehmen, die permanente Kapitalverwertung der kritischen Bevölkerung verdaulich zu machen.

Nur knallharte, materielle Vereinbarungen können politische Entwicklungen steuern. Warum fehlt im Koalitionsvertrag ein Sterbenswörtchen zur Gentechnik, jener wissenschaftlich-technischen Revolution, die unser ganzes Leben in 25 Jahren noch stärker verändern wird als die Computertechnik? Die SPD hat nichts zu sagen, die F.D.P. ist zu blöd und die GRÜNEN werden dafür sorgen, daß alles ökologisch vertretbar ist.

Andreas Jordan, Bremen