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Jugendarbeit ist Jungenarbeit

■ “Gewitterziegen“ stellten eine Studie zur Situation von Mädchen vor

Wenn Mädchen Bürgermeisterinnen wären, gäbe es in Bremen ein großes, buntes Mädchenhaus, mit Himmelbetten, Zimmern voller Kissen, Katzen und einem Raum, wo die Jungs sich aufhalten dürfen. Billard und Tischtennis wären verboten und die „Sozialtanten für die Aufräumarbeiten“ würden sich die Girls selbst aussuchen.

Dieser Mädchen-Wunschzettel gehört zu einer Studie, die Barbara Hamm von den „Gewitterziegen“ — Verein zur Förderung feministischer Mädchenarbeit, am Donnerstag vorstellte. Die „Bedarfsanalyse für mädchenspezifische Angebote“ basiert auf 70 Interviews mit Mädchen und sozialpädagogischen Fachkräften in der Neustadt und Woltmershausen. 33 Einrichtungen für Kinder und Jugendliche hat die Diplom-Pädagogin untersucht und das Ergebnis ist erschreckend: Fast alle Freizeitangebote für Jugendliche sind von Jungenbedürfnissen geprägt. Kicker, Darts, Billard und die Raumausstattung überhaupt schrecken Mädchen meist ab. In vielen Jugendfreizeitheimen sind die Mädchentoilette und das Büro der MitarbeiterInnen die einzigen Räume, in denen Mädchen sich aufhalten.

Von den Jungs in diesen Jugendeinrichtungen glauben die interviewten Mädchen, daß sie sich für die „Obermacker“ halten, die alles besser wissen und dumme Sprüche klopfen, manchmal ganz nett, aber oft auch brutal gegen Mädchen sind. Außerdem seien sie eifersüchtig auf den Mädchenraum. Aber den gibt es ohnehin in kaum einer Einrichtung: Von den acht Jugendeinrichtungen in der Neustadt und in Woltmershausen, die ein mädchenspezifisches Angebot hatten, bestehen augenblicklich nur noch zwei. „Wenn gekürzt wird, dann immer zuerst bei der Mädchenarbeit,“ meint Barbara Hamm zu der Dauerkrise, „Mädchen werden immer noch unter Jugendliche subsumiert.“

An Bedarf für mädchenspezifische Angebote, auch das zeigt die Studie, fehlt es nicht. Mädchen wünschen sich neben gemischten auch geschlechtsspezifische Freizeitangebote, um „das zu tun, was nur Mädchen machen.“ Für ihre spezifischen Probleme brauchen Mädchen nicht nur die beste Freundin, sondern auch außerfamiliäre Ansprechpartnerinnen, besonders im Bereich sexuelle Belästigung und Mißbrauch, Magersucht, Selbstbehauptung, Haushaltspflichten und Konflikte mit den Eltern.

„Mädchenarbeit hat keine Lobby und keine fachliche Anerkennung,“ erklärt Barbara Hamm, „und wenn das fehlt, ist das Interesse der Jugendarbeiterinnen schon im Keim erstickt.“ Bei der Mittelverteilung komme Mädchenarbeit denn auch andauernd zu kurz. Denn: „Es fehlt generell der Blick für die Mädchen.“

Doch nicht nur in den Freizis, Tagesstätten und Vereinen fehlt der Platz und die Betreuung von Mädchen. Auch Straßen, Parks und Spielplätze werden von Mädchen weniger in Anspruch genommen. Die Autorin der Studie: „Man müßte Mädchen dazu ermutigen, sich öffentliche Räume zu erobern.“

Die Ergebnisse der Mädchenstudie, so Barbara Hamm, gelten aber nicht nur für die Neustadt und Woltmershausen: „Für anderen Stadtteile Bremens gilt die Bedarfsanalyse genauso.“ Ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse und fehlende Räumlichkeiten machen in ganz Bremen eine kontinuierliche Mädchenarbeit unmöglich.

Silke Mertins

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