Jugendwerkstätten kleingemacht

■ Fücks will Recyclinghöfe abtrennen / Weniger Jobs für Langzeitarbeitslose

hier bitte

Mann

an der

Werkbank

Alltag in der JugendwerkstattFoto: Chr. Holzapfel

Wie es sich anfühlt, wieder auf der Straße zu stehen, konnten 300 der insgesamt 700 Beschäftigten der Bremer Jugendwerkstätten gestern morgen schon einmal am eigenen Leib erfahren. Denn die kurzfristig einberufene Betriebsversammlung anläßlich der akuten Krise des größten Bremer Trägers für Projekte mit schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen und Schwerbehinderten fand bei knapp über null Grad mitten auf dem Hemelinger Betriebshof statt.

Und als Christian Weber, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und Geschäftsführer der Jugendwerkstätten, nach eineinhalb Stunden auf seine eiskalten Füße hinwies und die Versammlung beenden wollte, rief es ihm aus der Belegschaft entgegen: „Kalte Füße haben wir auch. Aber schlimmer ist, daß das Geld so knapp ist, daß wir schon keine Ar

beitshandschuhe mehr einkaufen können.“

Nicht wenige der gestern Versammelten hatten schon einmal auf dem kahlen Betriebshof vom Konkurs ihres Arbeitgebers erfahren, als nur ein paar Straßen weiter die Hemelinger Beschäftigungsinitiativen „Arbeit e.V.“ und „Innovative Arbeit“ schließen mußten. 85 dort beschäftigte ABM-Kräfte wurden damals von den Jugendwerkstätten übernommen.

Doch diese Geschichte wird sich nicht einfach wiederholen. „Das Gerede von einer Finanzkrise bei den Jugendwerkstätten ist abenteuerlich und unverantwortlich gegenüber den Beschäftigten“, erklärte Arbeitssenatorin Sabine Uhl am Nachmittag und gab eine Bestandsgarantie für alle laufenden Arbeitsverträge ab. Zwar habe es kurzfristig tatsächlich eine Ebbe in der Jugendwerkstatts-Kasse gegeben. Die habe jedoch nur mit technischen Verzögerungen bei der Sachmittelbewilligung und bei den Überweisungen des Arbeitsamtes zu tun.

Künftig müßten sich allerdings „auch die Jugendwerkstätten an die neuen Bedingungen anpassen“ - gemeint ist die Reduzierung der Bremer ABM-Stellen von 3.900 auf 1.500. „Natürlich werden wir nicht mehr den hohen Beschäftigungsstand haben wie jetzt“, hatte auch Geschäftsführer Weber am Morgen mitgeteilt und seine Belegschaft aufgerufen: „Lassen Sie uns das gemeinsam durchstehen, damit wir um diese Klippe solidarisch herumkommen.“ Dagmar Lill, Vorstandsvorsitzende der Jugendwerkstätten, sah schließlich „überhaupt keinen Grund zur Panik“, da „der Vorstand schon sehr kreativ auf die neue Situation reagiert“ habe.

Das hatte die Arbeitssenatorin allerdings nicht so gesehen, als sie den von Geschäftsführer Weber vorgelegten Wirtschaftsplan der Jugendwerkstätten für 1992 zurückwies. In gemeinsamen Verhandlungen soll in den nächsten Wochen nun ein realisierbares, deutlich geschrumpftes Konzept für die Weiterexistenz gefunden werden.

Die erste Sitzung führte gestern jedoch bereits zu einer Enttäuschung. Arbeitssenatorin Uhl setzte auf die „Überlegung des Senators für Umweltschutz, einen Teil der Jugendwerkstätten, nämlich die Recycling-Höfe, in seine Ressortzuständigkeit zu übernehmen“. Bei diesen Plänen wolle sie Ralf Fücks unterstützen. „Von Übernahme habe ich kein Wort gesagt“, entgegnete Fücks jedoch am Abend, „über ein Konzept für die Jugendwerkstätten muß sich die Arbeitssenatorin selber den Kopf zerbrechen.“

Fücks sieht lediglich eine Chance, die Recyclinghöfe künftig über Bremer Abfallgebühren und Mittel des vom Bundesgesetzgeber vorgeschriebenen „Dualen Systems“ zu finanzieren — dann allerdings nicht mehr als ABM-Projekt für schwervermittelbare Arbeitslose. Fücks: „Für den sozialpolitischen Teil übernehmen wir keine Verantwortung.“

Genau diese Gefahr hatte am Morgen auch schon die Betriebsversammlung beschäftigt. „Fücks holt sich mit den Recyclinghöfen die guten Tröpfchen raus, um den Rest abzuschieben“, hatte ein Redner kritisiert. Tatsächlich gehören nur rund 200 der 700 Beschäftigten der Jugendwerkstätten zu den Recyclinghöfen. Der große Rest arbeitet in Projekten, für die auch langfristig keine ökonomische Selbständigkeit abzusehen ist.

Ein anderer Redner hatte seine Situation als Langzeitarbeitsloser in der offenbar so überflüssigen Beschäftigungsinitiative auf dem kalten Betriebshof so zusammengefaßt: „Das Schlimme ist, daß wir hier jetzt stehen, um unsere letzten Hilfskrücken zu verteidigen.“

Ase