Berlins UKW-Äther »ausländerfrei«

■ Radio Energy kündigte seinen ausländischen Redaktionen/ Fremdsprachige Programme sind für Energy-Chef Thomas Thimme »medial widersinnig«/ Kabelrat: »Wir sind am Ende unserer Macht«

Berlin. Der Berliner UKW-Äther ist jetzt »ausländerfrei«. Am Donnerstag setzte Radio Energy seine vier fremdsprachigen Redaktionen vor die Tür. Schon am nächsten Sonntag wird es das türkische, polnische, kurdische und arabische Programm nicht mehr geben. »Wir haben nicht einmal die Möglichkeit, uns von den Hörern zu verabschieden«, sagte Selçuk Iskender, Mitarbeiter der türkischen Redaktion.

Energy-Chef Thomas Thimme begründete den Rausschmiß mit dem in der Nacht auf Freitag vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Medienstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg, der die Möglichkeit einer eigenen Ausländerfrequenz vorsieht. Mit dieser — von Brandenburg noch nicht bestätigten— Kann-Bestimmung sei die »rechtliche Grundlage für die Fortführung der fremdsprachigen Programme entfallen«, meinte Thimme. Gegenüber der taz gab sich der Dudelsender-Chef als Wohltäter aus: Ohne Sendemöglichkeit hätten die fremdsprachigen Redaktionen »viel bessere Chancen«, die Ausländerfrequenzen politisch durchzusetzen. Nach Auskunft der Justitiarin des Kabelrates, Ingeborg Ludwig, kann eine entsprechende Lizenz »frühestens im Sommer, vielleicht erst im nächsten Jahr« erteilt werden.

In seinem Kündigungsbrief bezeichnete Thimme die »Kopplung verschiedener Sprachen« in einem Sender als »medial widersinnig«. Die fremdsprachigen Sendungen hätten nicht nur zu »zahlreichen Hörerprotesten« geführt, sie seien auch über die Werbeeinnahmen nicht zu finanzieren gewesen.

»Wir sind am Ende unserer Macht«, bedauerte Kabelrats-Justitiarin Ludwig auf Nachfrage. Die Zusage von Radio Energy, Minderheitenprogramme des in Konkurs gegangenen Alternativsenders Radio 100 fortzuführen, sei mit dem 31. Dezember 1991 abgelaufen. Der Kabelrat werde sich erst in seiner nächsten Sitzung am 24. April mit dem Rausschmiß »beschäftigen«. In der Zwischenzeit will Ludwig die rechtlichen Möglichkeiten »eruieren«, ob Radio Energy zur weiteren Ausstrahlung verpflichtet werden kann. Eine reine Ausländerfrequenz halte sie jedoch für die »bessere Lösung«.

»Solange es keine konkreten Planungen gibt, wollen wir bei Radio Energy bleiben«, forderte dagegen Özcan Ayanoglu von der türkischen Redaktion. Er verwies darauf, daß die fremdsprachigen Redaktionen auch Bestandteil der Neuen Radio 100 GmbH sind, die seit November auf eine Frequenz warte. »Sehr schmerzlich« nennt es Ayanoglu, daß selbst die »alternativen« Energy- Gesellschafter, darunter die Medienoperative und die Zweite Hand, den Rausschmiß der Ausländerprogramme verteidigt hätten. Vor zwei Jahren habe die Medienoperative noch selbst türkische Aufklärungsspots produziert. Micha Schulze