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Kurdin soll zurück ins Kriegsgebiet

■ Ausländerbehörde will 66jährige nach Kurdistan abschieben Keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus für vorübergehenden Abschiebestopp

Berlin. Ungeachtet des Bürgerkrieges im türkischen Teil Kurdistans will Berlin weiterhin Kurden in das Krisengebiet abschieben. Wenn sie nicht innerhalb von zehn Tagen zur Besprechung ihrer Ausreisemodalitäten vorspreche, drohe ihr die Abschiebung, teilte die Ausländerbehörde mit Poststempel vom vergangenen Mittwoch der 66jährigen Kurdin Cennet D. mit.

Alle sieben Kinder der alten Frau sind in der Bundesrepublik, drei von ihnen sind anerkannte politische Flüchtlinge. In ihrer Heimat war die 66jährige ständigen Nachforschungen durch die türkische Polizei ausgesetzt. Nach mehreren Schlaganfällen ist sie gehbehindert und laut ärztlichem Attest auf ständige Hilfe angewiesen. Ein Recht auf Familiennachzug wurde ihr nicht zugestanden. Jetzt rollen in ihrer Heimat die Panzer der Nationalen Volksarmee. »An der Abschiebepraxis hat sich nichts geändert«, so ihr Rechtsanwalt Peter Meyer.

Einen Alleingang Berlins bei einem Abschiebestopp für Kurden schloß Armin Jäger, Staatssekretär der Innenverwaltung, am Mittwoch vor dem Ausländerausschuß aus rechtlichen Gründen aus. Inzwischen haben sich bereits Hessen, das Saarland und Rheinland-Pfalz zu diesem Schritt durchgerungen. Im Berliner Abgeordnetenhaus hingegen fand ein PDS-Antrag auf einen Abschiebestopp auch vorgestern nacht keine Mehrheit. Auf eine gemeinsame Erklärung zum Bürgerkrieg konnten sich die Parlamentarier auch nicht einigen. Von einer »Schande« spricht Wolfgang Wieland, ausländerpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Grüne. Seine Fraktion forderte gestern die Bundesregierung auf, »massiven politischen und wirtschaftlichen Druck« auf die Türkei auszuüben.

Einen Abschiebestopp in Absprache mit den übrigen Bundesländern wünscht sich Eckhardt Barthel, ausländerpolitischer Sprecher der SPD. Dahingehende Gespräche würden bereits geführt, so Barthel. Die Senatsinnenverwaltung hält sich nach wie vor bedeckt. Ein Abschiebestopp werde »wegen der veränderten politischen Lage gegenwärtig noch geprüft«, so ein Sprecher gestern auf taz-Anfrage.

Unter den Berliner Kurden wächst derweil die Unruhe. Alle Anzeichen für eine Konfrontation zwischen Kurden und Türken in Berlin seien gegeben, erzählte Serif G. vom Kurdischen Kultur- und Hilfsverein gestern. Insbesondere die Opposition der Türken gegen die Kurden habe sich verschärft. Auch Übergriffe von faschistischen Türken auf kurdische Lokalitäten befürchtet er. »In Istanbul und Izmir fliegen täglich Brandsätze. Hoffen wir, daß es hier nicht so losgeht«, sagt Serif. Gestern mittag klirrten in Berlin erneut die Scheiben. Fünfzehn Leute, nach Polizeiaussage vermutlich Kurden, drangen in eine türkische Bank am Kottbusser Tor ein, zerschlugen Scheiben und sprühten mit Farbe. »Auch die kurdischen Jugendlichen im Knast werden unruhig«, sagt Pfarrer Popke, Seelsorger im Jugendstrafvollzug sowie in der Abschiebehaft. Allerdings wachse auch die Hoffnung, durch den Krieg in der Türkei die eigene Abschiebung zu verhindern. Jeannette Goddar

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