Gesund und energiesparend

■ Eine Alternative zum motorisierten Freizeitverkehr ist dringend geboten. Günter Ermlich zum Fahrradtourismus

Eine Alternative zum motorisierten Freizeitverkehr ist dringend geboten.

GÜNTER ERMLICH zum Fahrradtourismus

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mmer diese Radfahrer“ — Was waren das noch für goldene Zeiten, als sich Heinz Ehrhard und zwei weitere Ulknudeln singend und pfeifend auf dem Sattel verlustierten und die idyllische Ferienlandschaft erfuhren! Unter die Räder gekommenes Urlaubsparadies, Nostalgie von vorgestern.

Für das Zweirad folgten 30 magere und düstere Jahre in der Wirtschaftswunder- und Statussymbolgesellschaft. Das Rad stand ganz im Schatten des Automobils oder lag — oft genug — im Straßengraben. Wenn aber in unserer Automobilgesellschaft das Fahrzeug zunehmend zum Stehzeug verkommt, dann gewinnt das staulose Fortkommen per Rad an Attraktivität. Und das nicht nur im Alltagsverkehr. Auch im Freizeit- und Urlaubsverkehr macht das ökologisch so wertvolle Vehikel Boden gut. „Wirtschaftsfaktor Fahrradtourismus“ lautete der Titel einer Veranstaltung des Allgemeinen- Deutschen-Fahrrad-Clubs (ADFC) auf der Internationalen Tourismus Börse. Eine Alternative zum motorisierten Freizeitverkehr sei dringend geboten, forderte Thomas Froitzheim vom Fachausschuß Fahrradtourismus des ADFC. Denn mehr als 50 Prozent aller Autofahrten „dienten“ inzwischen dem Freizeitverkehr. Ergebnisse einer B.A.T.-Studie des Freizeitwissenschaftlers Horst Opaschowski geben Anlaß zur Hoffnung für die Anti-Auto- Lobby: Demnach geben 85 Prozent der befragten Reisenden zu, ihr Urlaubsziel auch ohne Auto erreichen zu können. Stattliche 40 Prozent wären immerhin bereit, auf ihr Auto bei der Urlaubsan- und -abreise zu verzichten. Zwei Prozent aller Ferienreisenden haben letztes Jahr das Fahrrad als Hauptreisemittel benutzt. Damit liegt es in der Gunst deutlich vor Schiff, Motorrad, Wohnmobil und Trampen. Und jeder fünfte Deutsche hat während seines Urlaubs, und wenn nur zum Zigarettenholen, wenigstens kurz auf dem Radsattel gesessen.

Die Liason Fahrrad/Eisenbahn, die verkehrspolitische und umweltverträgliche Traumkombination überhaupt, scheitert an der Politik der Bundesbahn. Das Angebot an Gepäckwagen zur Radmitnahme im Fernverkehr ist immer mehr ausgedünnt worden. Felix Austria. „Die Bahn fährt Rad“, heißt hier der PR- Schlager. An der Donaustrecke werden bei Nachfrage bis zu fünf Gepäckwagen (mit je 50 Rad-Einstellplätzen) an die Lok gehängt.

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er Fahrradtourismus ist keine neue Reiseform, allenfalls eine wiederentdeckte. Schon in den fünfziger Jahren gab es touristische Angebote für Radler, schrieb Hans Heffgen den Zweirad-Klassiker Mit dem Fahrrad um die Welt. Heute, in den Hochzeiten des allseits beliebten sanften Tourismus, kommt das Rad als Prototyp des sanften Vehikels wieder in Fahrt: es ist abgasfrei, macht keinen Lärm, beansprucht kaum Platz. Die Vorteile der attraktiven Reiseform Fahrradtourismus, meint Thomas Froitzheim vom ADFC, liegen auf der Hand: „Radfahren ist gesund, energiesparend, kontaktfördernd, macht Spaß.“

Bisher mangelt es aber noch an fahrradtouristischen Erfahrungen. Einzig eine Untersuchung zweier österreichischer Sozialwissenschaftler zum „Donau-Radweg-Tourismus“ gibt Anhaltspunkte zum „Radfahrer — das unbekannte Wesen“. Über 100.000 Radler rollen jährlich von Passau nach Wien entlang der Donau und bilden den „größten radtouristischen Strom des Kontinents“. Der Otto-Normal-Radler braucht dafür neun Tage und gibt 60 Mark pro Tag aus (der Österreich-Sommertourist 90 Mark). Macht 54 Millionen Mark pro Saison. Die Gastwirte an der Donaustrecke leben schon zur Hälfte vom Radtourismus.

Der durchschnittliche Donau-Radtourist ist halb Mann, halb Frau, gehört zum jüngeren Mittelalter (25 bis 40 Jahre) und zum neuen Mittelstand (mittlere und leitende Angestellte, Lehrer, Beamte). Futsch ist die Mär von der mittel-, weil automobillosen Radlerzunft. Bisher können sich die über 70 Radreiseveranstalter keine größere Scheibe vom Radtourismus abschneiden: Auf dem Donau-Trip sind 94 Prozent auf eigene Faust unterwegs, nur ein geringer Anteil verlangt nach einer organisierten Reise.

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ine schöne Landschaft“ ist das Motiv für 60 Prozent aller Urlauber (laut Reiseanlyse des Studienkreises), jedoch für 87 Prozent der Radtouristen an der Donau. „Sport und Bewegung“ wollen 81 Prozent und „weg vom Autoverkehr“ 70 Prozent der befragten Radfahrer.

„Die Radler wollen natürlich in die naturnahen Regionen“, referiert Froitzheim. Aber man könne, Stichwort Umweltverträglichkeit, auch den Fahrradverkehr durchaus lenken. Radrouten könnten so konzipiert werden, daß Kernzonen ausgespart blieben. Und mit einem Mountainbike, als Umweltfrevler, führe man nur einmal querfeldein, weil das zu anstrengend sei. „Was sind einige Bremsspuren gegen den Holzeinschlag der Forstwirtschaft?“

Um den Fahrradtourismus zu fördern, gerade auch in den neuen Bundesländern, die sich mit Leib und Seele dem sanften Tourismus verschrieben hätten, müßten, so Froitzheim, Netze von Radwanderrouten und Radfernrouten geschaffen werden. Alibi-Radwege an Bundes- und Landstraßen nützten dem touristischen Verkehr überhaupt nichts, „denn Radfahrer wollen möglichst autofreie Wege haben.“ Doch der Aufbau einer Rad-Infrastruktur kostet einen Batzen Geld. Allein das 25 Kilometer lange Teilstück des Elbe- Radweges zwischen Pirna und Bad Schandau würde 8,2 Millionen Mark verschlingen, wovon die beteiligten Gemeinden 25 Prozent zu tragen hätten, berichtete ein Touristiker aus der Region. Häufiger fehlt es den zuständigen Stellen auch an ausreichender Information und Durchblick im Kompetenzwirrwarr. So schilderte eine Vertreterin des Landratsamtes Guben, daß das verantwortliche Landesumweltamt die Anlage von Radwanderwegen auf den Hochwasserschutzdeichen der Oder verweigert habe. An Weser, Rhein und Donau, bekam sie von Radexperten im Publikum zu hören, seien Radwege auf Deichkronen gang und gäbe.