Der große Agitator schweigt

■ Der ambitionierte Plan des HSV-Präsidenten Jürgen Hunke, dem dahinvegetierenden Fußballclub durch eine Aktiengesellschaft neues Leben einzuhauchen, erwies sich endgültig als Flop

Hamburg (taz) — „Man muß brennen, um die Menschen zu entflammen“, sagte Jürgen Hunke einst. Nun ist der Präsident des Hamburger SV abgebrannt — und hat niemanden dazu bewegt, ihm ins Feuer zu folgen: am Donnerstag gab Kommunikator Hunke („Lassen Sie mich eines vorweg sagen...“) bekannt, daß sein ambitionierter Plan, den HSV über eine Aktiengesellschaft fördern zu lassen, gescheitert ist. Wortkarg sagte er, der sonst zweistündige Pressekonferenzen monologisierend als Solist darzubieten beliebt, mit allerletzter Kraft einen Hauch von Würde bewahrend: „Die AG ist nach wie vor der einzige Weg, in Hamburg weiter Profifußball zu spielen.“

Nur am Kauf von 2.000 der potentiell 36.000 Anteilsscheinen war bislang Interesse gezeigt worden, gemunkelt wurde, daß Hunke selbst 1.800 davon erwerben wollte. Den Garaus machten dem erst im November 1990 von einer demoralisierten HSV-Mitgliedschaft gewählten Mann aus dem Hannoverschen Kritiken aus der Geldbranche. Unseriös, gar rechtlich fragwürdig sei die Werbebroschüre für die AG, in der nicht einmal auf die Risiken des Aktienkaufs hingewiesen worden wäre.

Dabei hatte Versicherungshändler Hunke, dem Branchenkenner nachsagen, über zweifelhafte Drückermethoden zu Wohlstand gekommen zu sein, nur das Beste gewollt: Er erkannte, daß der deutsche Profifußball trotz aller in den vergangenen Jahren ausgehandelten Medientarife über seine Verhältnisse lebt. Verhältnisse wie in Rostock (Reinders), Frankfurt (Möller), Köln (Rutemöller, Lattek) oder München (Heynckes, Lerby), wo eilige Personalentscheidungen horrend hohe Abfindungszahlungen nach sich zogen oder ziehen werden, sollten in Hamburg ausgeräumt, der Profifußball auf eine solide Basis gestellt werden.

Hunkes Scheitern, dem womöglich in einigen Wochen auch sein Rücktritt als Präsident des bis 1983 ruhmreichen Vereins folgen wird, ist das einer ganzen Branche. Spieler, die vom Können und Einsatz her normalerweise bestenfalls fünfstellige Gehälter verdienen, werden inzwischen nahe der Millionengrenze entlohnt — der ungewisse sportliche Erfolg als Zweck rechtfertigt, so das Denken in den meisten Führungsetagen der Vereine, noch jedes finanzielle Mittel.

Pech nur für Hunke, den asiatisch inspirierten Lebemann („Alles ist yin, das andere yang“), daß der HSV in Hamburg längst keine Massen mehr mobilisiert, sein Schicksal Fußballfans nur noch ein nostalgisches, dennoch uninteressiertes Lächeln entlockt. Das Motto „Hamburg ist HSV, HSV ist Hamburg“ wirkte schließlich nur noch als Prinzip Hoffnung, als Beschreibung der Wirklichkeit hingegen nicht. Auch die Demission Gerd-Volker Schocks als Trainer, die Krönung des Egon Coordes („Wir müssen kämpfen, die Jugend ist heute sehr verweichlicht.“) ließ die Fans größtenteils kalt: Gegen Borussia Dortmund, Publikumsmagnet in anderen Bundesligastadien, kamen lediglich 30.000 Zuschauer. HSV - na und?

Vor zehn Jahren hätten die HSV- Fans ihrem Präsidenten noch verziehen, eine Fundraising-Kampagne als ökonomischen Coup, als „Innovation für die Zukunft“ auszugeben. Der HSV und sein Hunke mit der Spendenbüchse in der Hand, getarnt als Aktiengesellschaft — ein Flop.

Thronnachfolger stehen schon bereit: Die gleichen Leute, die in den vergangenen zehn Jahren dem HSV ohne Konzept einen zweistelligen Millionenbetrag Schulden hinterlassen haben, sind allenthalben bereit, den Nichthamburger Hunke zu beerben. Ökonomisch gesund ist der HSV: Ganz konventionell, ohne Aktienrummel, verkaufte der Verein im Sommer vergangenen Jahres seinen Ostimport Thomas Doll gen Rom. 16 Millionen Mark flossen so in die Vereinskassen. Es war die einzige Hausse der Amtszeit des Branchenfremdlings und Großsprechers Jürgen Hunke. Arne Fohlin