Stolpersteine auf dem Weg nach Rio

Bushs Teilnahme noch unklar/ Zwei Monate vor Umweltgipfel immer noch keine Einigung  ■ Aus Washington M. Sprengel

George Bush, der selbsternannte Umweltpräsident der USA, hat sich noch nicht entschieden, ob er am UN-Umweltgipfel im brasilianischen Rio de Janeiro teinehmen wird. Zwei Monate vor Beginn der Konferenz, die nach den Worten ihres Generalsekretärs Maurice Strong über das Schicksal der Welt entscheiden wird, hält US-Präsident George Bush sich immer noch ein Hintertürchen offen. Aus gutem Grund. Schließlich könnte der Gipfel, der die künftigen Richtlinien zum globalen Umweltschutz setzen soll, noch im letzten Moment an der Sturheit der amerikanischen Regierung scheitern. Da möchte sich der Präsident dann doch lieber im Hintergrund halten.

Bereits seit 1990 arbeiten Vertreter von mehr als 170 Nationen an zwei Grundsatzdokumenten, der „Charta der Erde“, die Prinzipien für Umweltschutz und vernünftiges Wachstum formulieren soll, und dem darauf basierenden Aktionsprogramm „Agenda 21“. Mit großem Pomp sollen diese — allerdings nicht bindenden — Deklarationen im Juni in Rio von den Regierungschefs der Teilnehmernationen ebenso abgesegnet werden wie Verträge zum Schutz der Atmosphäre, der Arten und der Wälder.

„Wir haben in den letzten Wochen sehr konstruktiv verhandelt und in den meisten Punkten Konsens erreicht“, lobt ein hochrangiger UN- Beamter, räumt allerdings ein, daß es jetzt an den „großen Themen Finanzen und Klimakatastrophe“ hakt. Dennoch ist er optimistisch, daß rechtzeitig vor Rio ein Kompromiß erreicht werden kann und keines der zentralen Dokumente scheitern wird.

Das glaubt zwar auch Dan Becker von der Umweltgruppe Sierra Club. In einem Wahljahr werde Bush es nicht riskieren, den Umweltgipfel platzen zu lassen. Er befürchtet allerdings, daß sich die Europäer in der strittigen Frage der Grenzwerte für Kohlendioxidemissionen, die vor allem für den Treibhauseffekt verantwortlich gemacht werden, von den Amerikanern über den Tisch ziehen lassen. „Es wäre ein Desaster für die Umwelt, wenn die Europäer von ihrer Position abgingen und Konzessionen an die Amerikaner machten“, warnt Becker.

Bislang hat sich die US-Regierung jedoch noch nicht bewegt, und nichts spricht für einen plötzlichen Sinneswandel. Während die Europäer sich auf konkrete Grenzwerte festgelegt haben und die C02-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 stabilisieren wollen, weigern sich die USA, selbst diesen kleinen Schritt mitzumachen.

Die Nation, die sechs Prozent der Weltbevölkerung stellt, aber fast ein Viertel der weltweiten C02-Emissionen produziert, hat Angst, eine im Falle von Grenzwerten notwendige kostenintensive Umrüstung ihrer Industrie mit ihrer wirtschaftlichen Vorrangstellung auf dem Weltmarkt bezahlen zu müssen. Die „Union of Concerned Scientists“ hat dagegen errechnet, daß ein ambitioniertes Energieprogramm, das die C02- Emissionen in den kommenden 40 Jahren durch Sparmaßnahmen und alternative Energieformen um 70 Prozent reduzieren könnte, der US- Wirtschaft unterm Strich sogar 2,3 Billionen Dollar an Energieausgaben sparen würde.

Michael Deland, Bushs Umweltberater, lassen solche Zahlen unbeeindruckt. Er argumentiert, daß es kurzsichtig sei, jetzt ein Dokument zu verabschieden, das allein die Reduzierung von Kohlendioxiden zum Ziel habe. Dem Treibhauseffekt sei nur mit einem „umfassenden“ Programm zu begegnen, bei dem alle dieses Phänomen auslösenden Emissionen berücksichtigt würden. Am Ende, so prophezeit Deland, werde sich diese Herangehensweise als die vernünftigere erweisen. Grenzwerte sind und bleiben aber in Washington tabu — weil die Wissenschaft das Zusammenspiel der verschiedenen Emissionen bis heute noch nicht befriedigend erklärt hat, sagt Deland. Weil Bush meint, daß die Regierung der Industrie keine Vorschriften machen sollte, und die Leute, denen er sein Ohr widmet, eben jene Luftverschmutzer sind, denen es an den Kragen gehen würde, meint Becker vom Sierra Club.

Als letzten Versuch, um noch vor Rio zu einer Einigung zu kommen, wollen sich die Verhandlungspartner Ende April ein letztes Mal in New York treffen. Um einem etwaigen Scheitern schon einmal vorzubeugen, werden jetzt schon sachte die Erwartungen an den Umweltgipfel runtergeschraubt. Nicht an konkreten Ergebnissen dürfe der Erfolg oder Mißerfolg von Rio gemessen werden, sondern an breit angelegten globalen Initiativen, die wirtschaftliches Wachstum umweltpolitisch verträglicher machten. Und Maurice Strong, der noch vor einem Jahr die historischen Dimensionen des Gipfels herausstreichen konnte, will Rio jetzt als Start eines längeren Prozesses verstanden wissen.