Verfassungsgericht — jetzt auch in Berlin

■ Seit gestern hat auch Berlin sein Landesverfassungsgericht/ Schon gibt es Kritik an der Qualifikation der nach Parteiproporz besetzten Richterbank/ Nur die PDS darf im neuen LVG nicht mitrichten

Mit Glockenschlag zwölf Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat Berlin nicht nur ein Verfassungsgericht, sondern auch die dazugehörigen RichterInnen. Das Abgeordnetenhaus wählte neun KandidatInnen, die von Parlamentspräsidentin Laurien sofort ernannt und vereidigt wurden. Die CDU hatte vier, die SPD drei FDP und Bündnis90/ Grüne je eine/n BerwerberIn vorgeschlagen. Davon erhielten alle die erforderlichen zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Nur der Kandidat der drittstärksten Fraktion, der PDS scheiterte.

Mit der Verfassungsbeschwerde wird den BerlinerInnen ein Recht eingeräumt, das in anderen Bundesländern — bis auf Schleswig Holstein schon lange verankert ist. Der Vier- Mächte-Status der Stadt und die darauf basierenden alliierten Vorschriften hatten ein solches Gericht über Jahrzehnet hinweg verhindert.

Ein Landesverfassungsgericht spielt im juristischen Alltag zwar keine große Rolle, hat aber trotzdem einen hohen Status. Und dementsprechend stark waren die parteipolitischen Querelen im Vorfeld seiner Institutionalisierung. Bereits im Oktober 1990 war von den beiden Berliner Parlamenten ein Gesetz über ein Landesverfassungsgericht beschlossen worden. Das trat am zweiten Dezember in Kraft. Doch schon kurze Zeit später wurden lautstark Nachbesserungen gefordert. Die Frauenquote — die auf Drängen der AL im Gesetz verankert worden war — passte erwartungsgemäß der CDU nicht in den Kram. Und von allen Seiten habgelte es Kritik an den äußerst üppigen Aufwandsentschädigungen, die dis RichterInnen in zukunft einheimsen sollten. Für ihren ehrenamtlichen Job waren ursprünglich 4790 Mark im Gespräch. Demgegenüber nimmt sich etwa das Salär der Hamburger VerfassungsrichterInnen von 400 Mark ziemlich bescheiden aus.

Nach der Überarbeitung liegt das Gesetz seit November 1991 in einer Neufassung vor. Die Frauenquote blieb, so daß drei der neuen Stelle mit Richterinnen besetzt werden. Aber die Aufwandsentschädigungen wurde weit heruntergefahren: jetzt gibt es für den Verfassungsgerichtspräsidenten 650 Mark monatlich, 550 Mark für den Vize und 450 Mark für die übrigen RichterInnen.

Auch bei der Auswahl der Personen ging es nicht immer erfreulich zu: eigentlich hatten nur CDU und SPD ein Vorschlagsrecht. Die SPD bestand aber darauf, daß auf der Richterbank das politische Spektrum der Stadt vertreten sein müsse. Im Huckepackverfahren sollten das Bündnis 90/Grüne bei ihnen aufsitzen, die FDP bei der CDU. Doch CDU-Fraktionschef Klaus Landowki wollte zunächst keinen Alternativen auf diesem Posten, da er bei ihnen das „akzeptieren sämtlicher Grundlagen unserer Ordnung“ vermisse. Auch gegen den CDU-Kandidaten Klaus Finkelnburg wurde heftige Bedenken laut. Der Rechtsprofessor hat durch seine früheren Verbindungen zum Skandalträchtigen Berliner Baustadtrat Wolfgang Antes nicht gerade den besten Ruf.

Aber seit gestern ist Finkelnburg Präsident des Landesverfassungsgerichtes und auch die Kandidatin der Alternativen, Veronika Arendt-Rojahn, die sich seit Jahren in Asyl- und Menschenrechtsfragen engagiert, ist im Amt. Finkelnburg bekam allerdings — nach Ahrendt-Rohjan und dem SPD-Mann Klaus Eschen, einen Mitbegründer des sozialistischen Anwaltskollektiv, die wenigsten Stimmen. Das ganze Verfahren sei ein einziger „Kuhhandel“ schimpfte die Fraktionsvorsitzende der PDS Gesine Loetzsch. CDU, SPD, FDP und Grüne hatten sich nach den monatelangen Querelen doch noch intern auf ihre KandidatInnen geeinigt. Die PDS — die mit Bernhard Graefrath einen profilierten Völkerrechtler ins Rennen schicken wollte, der bis 1985 Vorsitzender der UN— Menschenrechtskommission war, wurde zu diesen Gesprächen nicht eingeladen. Die Grünen, immerhin, können darauf verweisen, daß Berlin nun die erste grün-alternative Verfassungsrichterin Deutschlands hat.

Einige Berliner Juristen versuchen es mit Spott. Die durch Politklüngel und Proporz ins Amt gekommenen VerfassungsrichterInnen seien wenig profiliert, das ganze sei ein „Luschengremium«. Bascha Mika