: Schwerstarbeiter
■ Caspar Brötzmann Massaker und Fleischmann spielten im Loft
Nicht gerade leichte Kost, die man am Donnerstagabend im Loft geboten bekam. Vegetarier und Anhänger sanfter Lebensformen scheinen nicht unbedingt das Publikum von Fleischmann oder Caspar Brötzmanns Band Massaker zu sein. Oder es tragen inzwischen wirklich alle schwarz, egal ob sie sich bei Beerdigungen oder Konzerten treffen.
Zunächst Fleischmann: Die zum Trio geschrumpfte Berliner Formation hat nicht nur ihren Mitarbeiterstamm reduziert, sie versucht sich auch in der Konzeption der Musik auf das Wesentliche zu beschränken. Wie in Zeitlupe wird irgendein Metal auf der Bühne seziert (ob Doom-, Death-, Trash-, Heavy oder sonstwie, fragen Sie bitte den Kollegen Fricke, der unlängst Fleischmanns Debüt-LP auf diesen Seiten würdigte). Die Bruch- und Schnittstellen werden nur oberflächlich vernäht. Das Metalltier stirbt einen langsamen, qualvollen Tod. Das aber ist fein anzuschauen.
Die Stücke der Fleischmänner heißen Ordnung der Dinge, Becquerel oder Geschmacksverstärker. Die Band beherrscht ihr Gewerbe vor- und rückwärts, in Zeitlupe und -raffer. Die Sache ist ihnen ernst. Daß man sich dabei eher als Beobachter eines Prozesses denn als Hörer fühlt, muß wohl so sein. Spaß machen im herkömmlichen Sinne soll diese Musik nicht. Der Vorwurf des Votografen, das sei kopflastig, trifft zu und ist doch gleichzeitig eine Bestätigung des Unternehmens Fleischmann.
Ernst und schwer auf ganz andere Art ist auch die Musik des Trios um Caspar Brötzmann. Die Band ist am selben Abend erst von einer Tournee zurückgekehrt, deshalb wird der Soundcheck hinterm Vorhang zur langwierigen Angelegenheit. Zur Entschädigung seiner Berliner Freunde — »schön, wieder zu Haus zu spielen« — würde er am liebsten »eine Kiste Wodka stiften, aber dann wär' ich wohl pleite«.
Vor zehn Monaten stand Brötzmann Junior mit seinem Vater, dem Saxophonisten Peter Brötzmann auf der Bühne des Loft. Die Begegnung damals schien die Widersprüche von Jazz/Improvisation und Rock auf der Gegenseite aufzuheben. Auch Caspars Solokonzerte schaffen in hellen Momenten die Überschreitung der stilistischen Gegensätze.
Mit seiner Band Massaker geht Brötzmann einen anderen Weg. Er hebt seine Gitarre am Hals empor, schaut zum Schlagzeuger, wuchtet sein Instrument in dessen Richtung, als sei die Gitarre ein Taktstock oder Baseballschläger. Der neue Schlagzeuger Danny Arnold Lommen verwendet all seine Muskelkraft, um kurze, harte Schläge zu verteilen. Sein plaziertes und genau getimtes Drumming erinnert an Anton Fiers Hardcoredrums bei den Golden Palominos. Mit dem neuen Schlagzeuger hat sich der Maximo Leader der Gitarrenfront einen ebenbürtigen Verbündeten geschaffen, der den Sound der Band abrundet. Bassist Eduardo Delgado Lopez, Mitstreiter Brötzmanns seit der Gründung Massakers 1986, tritt hinter den Schwerstarbeitern fast ein wenig in den Hintergrund.
Daß Brötzmann die Gitarre als verlängerte Werkbank zur Geräuscherzeugung nutzt und sie gern zum feedbackenden Percussioninstrument werden läßt, wußten wir schon länger. Daß er sich jetzt auch noch im Gesangsfach versucht, ist eine Neuerung, die sich auf dem letzten Album Der Abend der schwarzen Folklore bereits niederschlug. Live kaum verständlich, zelebriert der Gitarrist einen Sprechgesang, der sich um Themen wie »schwarze Wolken bauen sich auf« oder »Sarah« dreht. Als Erweiterung der Möglichkeiten gedacht, scheinen die Sprechakte Brötzmann aber doch eher von dem abzulenken, was er wirklich gut beherrscht: das Gitarrespiel.
Zumindest an einem Abend wie diesem, wo unser Held zwar ein Heimspiel bestreitet, aber noch ausgemergelter im Gesicht als sonst ausschaut, sollte er mit der Energie haushalten. Das Massaker funktioniert zwar auch mit gedrosselter Kraft, aber mit vollem Schub weiß man am nächsten Tag wenigstens, warum man einen Muskelkater hat. Andreas Becker
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