Abtreibungsvergewaltigung

■ Karin Struck las in der Buchhandlung Herder aus ihrem Anti-Abtreibungsbuch »Blaubarts Schatten«

Die Autorin lebt mit ihren Kindern in Hamburg. Vier Kinder sind es, nicht Söhne, nicht Töchter, und auf dem Handzettel zu Karin Strucks Biographie sind sie im Schlußsatz, natürlich, erwähnt. Vier ist eine runde, wenn auch nicht eben magische Zahl. Schöner wäre der Abend in der zweiten Etage von Herder, hätte Karin Struck 1976 noch ein Kind mehr zur Welt gebracht, wäre eine fünffache Mutter, die — aus Symmetriegründen oder ausgleichender Gerechtigkeit — zehn und nicht elf Bücher verfaßt hätte. Denn das Kind, das Struck vor 16 Jahren abgetrieben hat, liefert ihr zur rechten Zeit den rechten Vorwand, mittelmäßige Skandal-Literatur zu gebären.

Blaubarts Schatten heißt das 1991 erschienene Buch (s.taz vom 21.9.91). Es handelt von den autobiographischen Pannen einer ehrgeizigen und mitlerweile verhärmten Lily Bitter, die — 15 Jahre verspätet und erweckt durch Theweleit-Lektüre — mit all jenen Männern und Frauen abrechnet, die Frauen »abtreibungsvergewaltigen«, den »Rohstoff Mütterlichkeit« (»er ist wie Öl«) vernichten, absahnen, aussaugen, ausweiden, zerstückeln und so fort. Am Ende der wutschnaubenden Sprachorgie bleibt der Hymnus auf das Fruchtwasser, die Plazenta, in der ein lebender Fötus den abgetriebenen sühnt. Süß schwebt die Stimme Lily Bitters/Karin Strucks über seinem Wachstum und sagt: »Niemand wird dich zerstückeln; nur über meine Leiche. Kindchen, mein Kindchen, sei ruhig. Die falschen Götter haben ausgespielt.«

Unsäglich möchte die Struck sein, skandalumwittert. Eine wildwütige Ex-Linke, eine Harpyie, die ihre eigenen Katastrophen in leuchtenden Lettern in deutschen Feuilletons oder universitären Aulen in die Gehirne der LeserInnen, ZuschauerInnen brennen will — als Anklage gegen Gott und die Welt. Ohne Feinde, die sie »bekämpfen« oder »sublim« totschweigen, kann sie nicht leben... 1973 fiel die Republik auf ihren pathetisch-demagogischen Erstling Klassenliebe herein, man wollte — aus politischer Überzeugung — Struck politischer lesen, als sie ist, und ergötzte sich ach so aufgeklärt an ihrem Gestachel gegen die »linke, progressive Doppelmoral«.

In der Buchhandlung Herder sinnigerweise neben der Rubrik »Natur« plaziert, sitzt die heute 44jährige Karin Struck — noch immer in der Haltung einer, die Hörsäle füllt —, auf ihrem blauen Stuhl im blauen Kostüm und liest und liest. Zwei LeserInnenbriefpassagen ihres Blaubarts hat sie ausgewählt. Verschwörerisch will sie das Häuflein ZuhörerInnen (es sind insgesamt 14, davon zwei Fotografen und drei JournalistInnen) auf ihren gebieterischen, herrischen Ton einschwören. Nie vergißt sie, die so gerne eine Übermutter mit viel Sexappeal wäre, den Text an den pathetischen Stellen noch schwülstiger zu machen, noch ungerechter, noch dümmer.

Was die Textstellen mit ihrem missionarischen Ton noch gerade verhehlen konnten, posaunt Karin Struck in der anschließenden Diskussion freimütig heraus: alle Ungereimtheiten ihres sogenannten antifaschistischen Impulses. »RU786 ist ein Pestizid«, ambulante Abbruchkliniken seien »flächendeckenden KZs« vergleichbar, »Horte der Mütterlichkeit« statt Frauenhäuser müsse man einrichten, um junge Gebärwillige vor Pro Familia zu bewahren. Schuld an den Abtreibungen sei nicht die Entscheidung irgendeiner Frau, sondern zuletzt der »deutsche Hang zum Opportunismus«.

Wenn es sich lohnt, über Karin Struck Sekundärliteratur zu verfassen, dann über ihren faschistoiden Reflex, der sich für antifaschistisch ausgibt. Denn Struck meint es ernst mit ihrer Liebe zu »Irland, wo absolutes Abtreibungsverbot herrscht« und »eine vergewaltigte 14jährige an einer Abtreibung gehindert wird«. Nach Irland wird sie wohl auswandern, wenn — das scheint ihr ausgemachte Sache zu sein — in Deutschland die »Fristentötung« durchgesetzt ist und sie selbst »tote Enkelkinder einsammeln muß«. Eine Frau, die den Männern wirklich nur voraushat, daß sie Kinder kriegen kann. Mirjam Schaub