HÖCHSTE REGIERUNGSBEAMTE IN INTERNATIONALEN WAFFENSKANDAL VERWICKELT

Polen: Waffen für den Irak

Warschau (taz) — Der ehemalige Warschauer stellvertretende Bürgermeister, ein Vizefinanzminister und ein Ex-Diplomat, der Polen noch bis Ende letzten Jahres in Kuba als Botschafter vertrat, gehören zu den Festgenommenen des internationalen Waffenskandals, der von deutschen und amerikanischen Behörden bereits Anfang des Monats aufgeklärt worden war. Dies berichtete die polnische Presse am vergangenen Freitag unter Berufung auf deutsche und amerikanische Ermittler. Wie erst in den letzten Tagen bekannt wurde, waren wegen illegalen Waffenhandels mit dem Irak in New York insgesamt neun, in Frankfurt weitere sieben Verdächtige festgenommen worden, in der Mehrzahl polnische Staatsbürger.

Unter ihnen ist auch Jerzy Napiorkowski, ein ehemaliger Steuerprüfer, der Ende der achtziger Jahre bis zum Vizefinanzminister aufstieg und 1990 bereits in den Verdacht geraten war, riesige illegale Alkoholimporte begünstigt zu haben. Napiorkowski war damals in die USA ausgereist. Kurz zuvor hatte er — wie die taz damals enthüllte — unter undurchsichtigen Umständen Spielbankkonzessionen an Mitglieder der westdeutschen Casino-Mafia vergeben, die in Essen mit Haftbefehl gesucht wurden. Nach seinem Rücktritt als Vizeminister wurde er Direktor eines Tochterunternehmens der polnischen Privatfirma „Holding Wojtysiak“, die offenbar von Prominenten des alten kommunistischen Establishments für den Waffendeal aufgebaut worden war. In führenden Positionen der Holding saßen auch Jerzy Brzostek, Ex-Bürgermeister von Warschau und ehemaliger Bauminister, sowie Wojciech Baranski, Ex- Botschafter auf Kuba und zur Zeit Ausbilder der polnischen Armee.

Ihnen allen wird vorgeworfen, sie hätten insgesamt 40.000 kleine Granatwerfer vom Typ RPG-7, 1.000 Boden-Luft-Raketen „Striela“, zwei sowjetische MiG-Kampfflugzeuge und 105.000 Maschinenpistolen vom Typ Kalaschnikow in den Irak schaffen wollen.

Die Papiere der Lieferung, die über die Bundesrepublik und New York in den Irak gelangen sollte, waren auf die Philippinen als Endverbraucher ausgestellt. In den Irak gelangen sollten sie mit Hilfe des Schiffes eines bekannten New Yorker Waffenhändlers, der ebenfalls festgenommen wurde. Die amerikanischen Behörden waren Zeitungsberichten zufolge von Anfang an über den Deal informiert. Es war ihnen gelungen, Agenten in den Händlerring einzuschleusen. Zwei Polen, die während der Verhaftungsaktion in New York festgenommen wurden, waren wieder freigelassen worden, weil sie die Behörden zuvor von dem geplanten Handel unterrichtet hatten.

Die Waffen stammten aus Beständen der Roten Armee und der staatlichen Waffenfabrik in Radom, südlich von Warschau, deren stellvertretender Direktor ebenfalls verhaftet wurde. Die Radomer Fabrik ist praktisch konkursreif, seit Polens Armee ihre Bestellungen wegen der Budgetkürzungen auf ein Minimum zurückgeschraubt hat und auch die internationale Nachfrage zurückgegangen ist. Wie die Warschauer Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘ berichtete, haben die deutschen und US-Behörden die polnischen nicht um Hilfe ersucht und auch nicht über ihr Vorgehen informiert. Tatsächlich scheinen, dem Schweigen des Staatsschutzes und des Innenministeriums nach zu schließen, diese auch nichts von dem Deal geahnt zu haben. Ein Sprecher des Warschauer Außenhandelsministeriums verstieg sich sogar zu der Behauptung, die Waffen könnten nicht aus Polen stammen, da das dortige „Exportkontrollsystem zu dicht sei“. Verteidigungsminister Parys hingegen gab zu, daß die Privatisierung im Waffenhandel in den letzten Jahren möglicherweise etwas zu weit getrieben worden sei. Klaus Bachmann