Paradebeispiel

■ Spaniens Regierung sieht in „Hunosa“ ein Modell für die Sanierung defizitärer Industrien

Wochenlang blieben diesen Winter die asturischen Kohlezechen wegen Streiks geschlossen, tobten in den Straßen die Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Kumpels und Polizei. Der Grund: Von rund 18.000 Arbeitsplätzen in der staatlichen Kohlefirma „Hunosa“ sollten nach dem „Rekonversionsplan“ der Regierung in den nächsten zwei Jahren 6.000 durch vorzeitige Pensionierungen ersatzlos verlorengehen. Seit Gründung der „Hunosa“ 1967 hatten bereits rund 8.000 Minenarbeiter ihre Arbeit verloren.

Die Regierung rechtfertigte ihren Plan mit den Forderungen der EG, die Subventionen für Hunosa zu kürzen. Hunosa ist seit Jahrzehnten defizitär: 1989 machte das Unternehmen 45 Milliarden Peseten (800 Millionen DM) Schulden, im Jahr 1990 waren es 56 Milliarden und im Jahr 1991 bereits 65 Milliarden Peseten. Grund für die Verschuldung sind die wenig rentablen Kohlevorkommen, die veralteten Schürfbedingungen, die die Produktivität herabsetzen, jedoch auch der Fall der Kohlepreise durch den wachsenden Import aus den USA, Südafrika, Australien und Polen.

Die für den Industrieminister Claudio Aranzadi logische Einschrumpfung stellt für die Asturier eine existentielle Bedrohung dar. Neben dem Baskenland und Kantabrien gehörte das Fürstentum seit Beginn des Jahrhunderts zu den am stärksten industrialisierten Regionen Spaniens. Was im Baskenland und Kantabrien die Stahlindustrie, war in Asturien vor allem der Bergbau. Hier, in Asturien, begann der politische Generalstreik 1934, der in eine soziale Revolution mündete. Hier schleuderte die Bergmannstochter Dolores Ibarruri, La Pasionaria, den putschenden Franco-Truppen ihr berühmtes „No pasaran“ entgegen.

Doch nicht nur die asturische Kohle, auch der baskische und kantabrische Stahl sind heute in der EG nicht wettbewerbsfähig. In Asturien wollte die sozialistische Regierung Spaniens deshalb ein Paradebeispiel für industrielle Konversion schaffen, das hinterher auch auf die beiden anderen Krisenregionen anzuwenden wäre. Freilich wurde Rekonversion genannt, was in Wirklichkeit Massenentlassungen ohne Alternativen waren. Mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze in Asturien hängt direkt oder indirekt von Hunosa ab. Die Arbeitslosigkeit im Fürstentum liegt mit 17 Prozent um einen Punkt über dem nationalen Durchschnitt.

Nach langen Verhandlungen einigten sich die Gewerkschaften Ende Februar schließlich mit der Regierung: Statt der vorgesehenen 6.000 Kumpels sollen nun nur 4.500 entlassen und die vorgesehene Schließung mehrerer Zechen so lange wie möglich vermieden werden. Darüber hinaus will die asturische Landesregierung in den kommenden sechs Jahren umgerechnet fünf Milliarden DM in die Reindustrialisierung der Region stecken. Damit sollen Industriegebiete bereitgestellt, der Bau von Autobahnen vorangetrieben, der Umweltschutz verbessert und die Berufsbildung verstärkt werden. Große Hoffnung setzen die Behörden auch auf den Plan des Chemieriesen Du Pont, in Asturien Papier-, Textil- und Stoffabriken anzusiedeln.

Die Gewerkschaften haben die neuen Pläne der Regierung begrüßt, auch wenn sie bislang an den neuen Aufschwung nicht so recht glauben können. Und schon hat die Regierung das nächste Krisenrevier am Hals: Die Bergarbeiter von Leon sind im Streik und machten letzte Woche mit einem spektakulären Marsch auf Madrid auf sich aufmerksam. Antje Bauer