ZWISCHEN DEN RILLEN

■ Freundschaft wäre so ein Thema: Cowboy Junkies/Yo La Tengo/Little Village

Hätten selig Verstorbene eine Schwäche für Countrymusic, würde die Engel-Tanzkapelle ohne Zweifel so klingen wie die Cowboy Junkies. Dabei geht die Band um die Geschwister Margo, Michael und Peter Timmins auf der neuen Platte Black Eyed Man für ihre Verhältnisse fast ein Hardcore-Experiment ein. Von der Gründungszeit der Cowboy Junkies geht das Gerücht, daß Margo Timmins zum Üben in der elterlichen Garage kein Gesangsverstärker zur Verfügung stand und die Band deshalb besonders leise spielen mußte. Aus der kleinen technischen Unzulänglichkeit von damals entstand ein völlig neuer Sound, allein durch die extreme zeitliche Dehnung normaler Country-Harmonien. Die Cowboy Junkies kultivierten das seit ihrer Gründung 1985 bis zum Gehtnichtmehr, verlangsamten ihre Songs bis zur Unkenntlichkeit, versanken immer mehr in apathischer Melancholie. Und über allem schwebte die Stimme von Margo Timmins, von Stimmbändern, denen nichts Irdisches mehr anhaftete.

1989 wurde die erste LP der Kanadier, The Trinity Session, an einem einzigen Tag in einer Kirche aufgenommen. Man muß sich einen Haufen gestandener Männer vorstellen (live spielen die Junkies mit manchmal acht Instrumentalisten), die versuchen, auf ihren Gitarren, Schlaginstrumenten, Akkordeons und Mundharmonikas möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Doch ein Jahr später markierte The Caution Horses eine kleine Trendkehre. Die anderen hatten Margos Verstärker entdeckt und wagten es nun, ihre eigenen Knöpfe ein paar Grade zu verstellen.

Wieder eine Platte weiter entfernen sie sich noch ein Stück von ihren Vorgaben. Black Eyed Man beginnt mit Southern Rain, wie Emmylou Harris auf traurig. Zwar kehren immer wieder die magischen Momente der Cowboy Junkies zurück, so bei der Townes-Van-Zandt-Coverversion To Live Is To Fly, wo zu Beginn allein die Stimme alles trägt, die Gitarre respektvoll zirpt und die restlichen Instrumente stille sind. Aber gerade hier setzen Schlagzeug und Gitarren mit ungewohnter Heftigkeit ein und zerstören die trockene Seifenblase. Trotzdem bleiben die Cowboy Junkies die allerschönste Traurigkeit, die sich denken läßt. Wer hier nicht seufzen muß, der hat kein Herz oder Schlimmeres an seiner Stelle.

Auch nicht gerade Metalliker sind Yo La Tengo, das Trio aus New Jersey um Georgia Hubley und Ira Kaplan. Ihre Vorgabe ist Velvet Underground, ob nun die heftig-verzerrten frühen Stücke, denen in dem monotonen Gitarrenexzeß Mushroom Cloud Of Hiss gehuldigt wird, oder die dahintröpfelnden Balladen aus repetetiv wiederholten Gitarrentönen und Georgias rauher, wie in der Luft stehender Stimme, so in Swing for Life oder Satellite.

Dabei wechselt sich das Liebespaar Hubley und Kaplan auf der neuen LP May I Sing With Me hübsch mit dem Gesang ab, um sich ab und an wechselseitig im Background zu unterstützen. Yo La Tengo gehören zu den wenigen aktuell übriggebliebenen Velvet-Epigonen, aber vor allem macht sie aus, daß sie ausleben, was bei VU immer nur platonisch und angedeutet war: Liebe und Haß zwischen Mitgliedern der Band, das gesamte Spektrum menschlicher Gefühle wurde in der Musik nach außen getragen, auch wenn sich personell eine mehr oder weniger homogene Gruppe präsentierte. Daß Yo La Tengo aufgrund der Konstellation da eintöniger sein müssen, ist klar, denn bei VU gab es zumindest eine Dreierkiste zwischen Nico, Lou Reed und John Cale und zusätzlich noch die geschlechtslose Freundin Moe Tucker. Aber natürlich sind Yo La Tengo mehr als nur die Dokumentation einer Liebe, ihre Stücke sind sanft fließende, trotzdem sperrige Gitarrenpopsongs, sind aber auch Verzerrerorgien, sind aber vor allem gut, weil eben auch mehr als nur Musik.

Zwischenmenschliche Beziehungen könnten auch bei Little Village im Mittelpunkt stehen. Freundschaft wäre so ein Thema, das zwischen den Herren Ry Cooder, John Hiatt, Jim Keltner und Nick Lowe zur Sprache kommen dürfte. In erster Linie tun die älteren Herrschaften aber das, was man von ihnen erwartet. Sie reproduzieren versiert und professionell die eigene glorreiche Vergangenheit, und das etwa so, wie es der Name für das gemeinsame Projekt nahelegt: solide und manchmal etwas hausbacken. Völlig ausgeklammert sind Cooders sphärische Ausflüge in die Filmmusik, dafür kehren Little Village für ihn dahin zurück, wo er herkommt. Selbst wenn Cooder nicht selbst singt, scheint die Band direkt auf dem Weg Into the Purple Valley, wo der Rhythmus gemächlich hookt, die Slidegitarre stöhnt und wo die Liebe, nach der der Vokalist sucht, noch so groß sein sollte wie ein Ozean. Auch wenn das Tempo schneller wird wie in She runs hot läßt sich eine gewisse Gemütlichkeit nicht verleugnen. Trotzdem klingen sie für ihr Alter überraschend frisch, auch gerade deswegen, weil sie gar nicht erst Zeitgemäßes versuchen. Sie sind auch in der Lage, die verschiedenen Solisten zu einem halbwegs eindeutigen Gruppensound zusammenzufassen. Daß außer Keltner jeder mal singen darf, fällt kaum auf. Außerdem ist es extrem sympathisch, wenn die Opas immer noch nichts anderes im Kopf haben als Arbeit, Parties, Mädchen und die Müdigkeit, die sie nach diesen drei Verrichtungen befällt. Und immer noch führen die Landstraßen heraus aus den kleinen Nestern mit den romantischen, mexikanischen Namen, immer noch kommen die Kopfschmerzen am nächsten Morgen, immer noch bläst die kühle Brise von den Bergen her, und immer noch sind die Streichhölzer alle.

Cowboy Junkies: „Black Eyed Man“. RCA/ BMG PD90620.

Yo Lay Tengo: „May I Sing With Me“. City Slang/Vielklang, EFA 04077-26.

Little Village: „Reprise“. WEA 7599-26713-2.

FREUNDSCHAFTWÄRESOEINTHEMA