Sammlerinnen der Moderne

■ Neue Müllmoral nimmt nur die Frauen in die Pflicht

Kennen auch Sie das „neue ökologische Abfallbewußtsein“? Sind Ihnen schon die Appelle an eine neue „Müllmoral“ zu Ohren gekommen? Aber sicher doch! Abfallberatung und Umweltaufklärung werden zur Zeit bei den zuständigen Ämtern ganz groß geschrieben. Und auch die breite Palette der Frauenzeitschriften rührt die Werbetrommel, wenn es darum geht, Anleitungen zum getrennten Sammeln und zur sachgerechten Ablieferung zu geben.

Doch wer badet eigentlich die neuen Konzepte der Müllentsorgung aus? Die Broschüren sprechen da eine äußerst nebulöse Sprache: Angesprochen wird hier „der Verbraucher“, „der Haushalt“ oder gar — wie in einem Biomüllprojekt — „die Küche“. Die konkrete Adressatin solcher Müllappelle ist jedoch in der Regel die Hausfrau. Sie ist es, die immer noch alleinverantwortlich für den reibungslosen Ablauf und die Durchführung aller anfallenden Hausarbeiten sorgt.

Eine ökologische und abfallarme Haushaltsführung für einen Drei- bis Vier-Personen-Haushalt bedeutet 20 Prozent Mehrarbeit. Diese Zahl bezieht sich nur auf den müllbewußten Einkauf und nicht auf das getrennte Sammeln von Müll. Unerwähnt bleibt in den Aufklärungsbroschüren natürlich auch die unbezahlte Abfallmehrarbeit von Frauen. Da gerät in der graphischen Darstellung eine Milchflasche — natürlich mit „Grünem Punkt“ — in die Jutetasche, steht auf der nächsten Abbildung dann plötzlich im Kühlschrank und befindet sich ein Bild weiter schon wieder im Jutebeutel — diesmal leer. Auf der letzten Abbildung verwandelt sich die Flasche dann in Rückgabepfand. Menschen kommen im Schema dieses „ökologischen Kreislaufs“ nicht vor.

Bemerkenswert auch, daß das Müllproblem derzeit allerorten ein Problem der abfallträchtigen Haushaltsartikel ist. Da ist von Putz- und Lebensmitteln die Rede und von ihrer Verpackung. Es geht also um Frauen-Konsumartikel, die in die Tüte, sprich den Jutesack, passen. Doch wo bleiben all die Camcorder und Videorekorder, wo die Bastelmaterialien für den Hobbykeller? Wo bleiben die klassischen Männer-Konsumartikel, die wesentlich verpackungsintensiver sind und in keine Tüte passen? Die neue „Müllmoral“ und die Form der öffentlichen Müllaufklärung zielen letztlich auf nichts anderes ab als auf das schlechte Gewissen von Frauen. Karin Flothmann