Nacht der 3 Opfer

■ Cheese Curtains, Articles of Faith & Victims Family

Drei Gruppen Sonntagabend in der Schlachthof-Kesselhalle — der Veranstalter ist Change Music — da kommt das Publikum später, das ist Tradition, und die Nacht wird lang. Cheese Curtains aus den Niederlanden bekamen das als erste Band gegen halb zehn zu spüren. Das Quartett spielte vor noch schwach besetzten Rängen ihren leicht gebremsten Core, also punkiges Liedgut mit Geschwindigkeitsdrosselung, und kam gut an, trotz etwas schwachbrüstiger Anlage.

Später gaben sich sich die fünf Herren von Articles of Faith die Ehre. Die Band aus Boston trat gleich mit drei Gitarristen an, aber so recht wollte ihr Vortrag nicht ins gut gelaunte Publikum überschwappen. Es freute sich zwar über den grundsoliden Set, der immer dichter und auch komplexer wurde. Aber — Hand auf's Herz — wer sich von der Bühne wegdrehte, konnte den Eindruck gewinnen, daß da bloß ein Trio spielte. Der Mixer meinte es offenhörlich nur gut mit dem Drummer. Der nutzte diesen Vorteil aber leider nicht, von Breaks hielt er herzlich wenig. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, alle wollten mehr vom Geradeaus-Punk — und bekamen ihn.

Aber eigentlich warteten die ZuhörerInnen auf den Hauptact der Nacht, Victims Family aus San Francisco. Und das Trio erfüllte die hohen Erwartungen. Sie waren nach dem etwas plätschernden Beginn die Erleuchtung des Abends, nicht nur, was das Bühnenlicht anging. Die Opferfamilie machte ihrem Namen alle Ehre. Daß Sänger Ralph Spight auch feinfühlig mit seiner Gitarre umgehen konnte, war in kurzen Passagen alsbald klar, aber er und seine Kumpane taten häufig so, als wollten sie dem Publikum weismachen, Instrumente seien nur zum Kaputtmachen da. Drummer Tim Solyan zerhackte seine Sticks gleich reihenweise, bekam einen Raptus nach dem anderen und kloppte auf sein Snare, bis es brach. Bei allem Gebolze war aber immer eine Song-Stuktur zu erkennen, gerade wegen der vielen Rhythmuswechsel, des Übergangs zu infernalischem Gebrüll mit Saitenbegleitung und wieder gemäßigteren Tönen. Manchmal drifteten die Drei sogar in die siebziger Jahre ab, Frank Zappa grüßte, doch immer wieder fanden sie zurück in die harten Rock'n–Roll-Muster, die das mitgehende Publikum so liebte. Weit nach Mitternacht mußten die harten Bühnenarbeiter noch zwei Zugaben geben, erst dann waren die Leute zufrieden. Ein schöner Abend. Cool J.F.