»SED-Mitgliedschaft ist egal«

■ SPD-Senator Krüger kritisiert »moralischen Rigorismus« in der Debatte um SED und Stasi/ SPD und Bündnis 90 sollten ehemalige SED-Mitglieder nicht ausgrenzen/ »Wir müssen nach vorne gucken«

Berlin. Die vom Berliner Bündnis 90 angestoßene Debatte um die Bewertung von Stasi-Mitarbeit und SED- Mitgliedschaft hat jetzt auch auf die SPD übergegriffen. Jugendsenator Thomas Krüger wandte sich in einem Gespräch mit der taz gegen den in der Debatte anzutreffenden »moralischen Rigorismus«. Auch eine Gleichsetzung der Mitarbeit bei Stasi und SED, wie sie das Bündnis 90 formulierte, lehnte Krüger ab. »Denunziation ist schon etwas Besonderes«, sagte der Senator, der aus der kirchlichen Oppositionsbewegung kommt und 1989 Mitbegründer der DDR- Sozialdemokraten war.

Bei ehemaligen SED-Mitgliedern müsse man »sehr wohl zwischen Bonzen und Mitläufern unterscheiden«, sagte Krüger. Er plädierte dafür, »nach vorne zu gucken« und ehemalige SED-Mitglieder nicht auszugrenzen. »Mir ist es egal, ob jemand vor drei Jahren in der SED war, wenn er heute eine vernünftige Politik macht und dort die Ostperspektive stärkt.« Auch die SPD sollte sich »ernsthaft« mit ehemaligen Mitgliedern der Staatspartei »auseinandersetzen«, die Interesse an einem Beitritt hätten.

Mit dieser Auffassung vertrete er in seiner Partei »nicht die Mehrheitsposition«, räumte Krüger ein. Nicht nur im Bündnis 90, sondern auch von ostdeutschen Soziademokraten werde die SED oft als »kriminell eingestuft«, obwohl »sich viele heutige SPD-Mitglieder zu DDR-Zeiten nicht durch hervorragende Oppositionstätigkeit ausgezeichnet haben«.

Auch im Bündnis 90 sei die Debatte noch nicht abgeschlossen, betonte gestern die Abgeordnete Brigitte Engler, die selbst bis Herbst 1989 SED-Mitglied war. »Wir müssen lernen, Toleranz nicht nur zu fordern, sondern auch zu leben.« Uwe Lehmann vom Bündnis-90-Vorstand zeigte sich unterdessen »verdattert« über die Wellen, die das von ihm mitverfaßte Papier geschlagen hatten. Er finde es falsch, einfache SED- Mitglieder auszugrenzen, versicherte Lehmann. Auch an die drei ehemaligen SED-Mitglieder in der Fraktion Bündnis 90/Grüne, zu denen neben Engler auch Judith Demba und die Ko-Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz zählen, habe er »keine Forderungen« richten wollen.

Auch Krüger verteidigte die drei Abgeordneten als »lebendige ParlamentarierInnen«. Als »Rumgedruckse« kritisierte der SPD-Politiker die Tatsache, daß alle drei ihre SED-Vergangenheit im Handbuch des Abgeordnetenhauses verschwiegen hatten. Zur Selbstgerechtigkeit habe die Fraktion Bündnis 90/Grüne auf alle Fälle keinen Anlaß, fügte Krüger an. Mit drei ehemaligen SED-Mitgliedern sowie zwei früheren Mitgliedern der Ost-CDU, Christian Pulz und Wolfgang Wustlich, habe die Fraktion einen Blockparteien-Anteil von 25 Prozent. »Damit unterscheiden sie sich nicht von der CDU.« hmt