KEINE PSYCHO-DOCS MEHR IM OSTEN

Pillen statt Therapie

Bad Hersfeld (dpa) — Auf dem Gebiet der einstigen DDR ist die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung nahezu zusammengebrochen. Darauf hat am vergangenen Sonntag der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) im hessischen Bad Hersfeld hingewiesen. Nach Angaben des Verbandes fehlen inzwischen etwa 80 Prozent der ehemaligen Behandlungskapazitäten in der Psychotherapie. Für die Patienten, so BDP-Präsident Lothar Hellfritsch, habe dies in erster Linie Psychopharmaka statt Psychotherapie zur Folge. Damit würden bei den Patienten die Symptome behandelt, nicht aber die Ursachen ihrer Probleme.

Die katastrophale Versorgungslage falle, so Hellfritsch, in eine Zeit, in der immer mehr Menschen in den neuen Bundesländern mit Arbeitslosigkeit, veränderten Leistungsanforderungen, Enttäuschungen nach der Wende und gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert würden. Alkoholismus, depressive Erkrankungen und „Psychosektentum“ seien oft die Folgen. Doch nach der Auflösung der Polikliniken sei die bis dahin mögliche Zusammenarbeit von Arzt und Psychotherapeuten kaum noch gewährleistet. In den neuen Bundesländern seien die wenigen niedergelassenen klinischen Psychologen und die psychotherapieberechtigten Ärzte mit der Versorgung der Menschen schlichtweg überfordert.

Die 160 Delegierten der Konferenz kündigten ein verstärktes Engagement gegen seelische Gewalt gegen Kinder an. Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Kinder sei in Deutschland noch lange keine Realität. Dies belegen nach Angaben des BDP die jährlich etwa 30.000 Fälle schwerer Kindesmißhandlung und 300.000 Fälle von sexuellem Mißbrauch von Jungen und Mädchen.

Psychologischer Rat und Hilfe seien auch bei „seelischer Gewalt“ gegen Kinder erforderlich. Dazu zählen die Psychologen das nachhaltige Beeinträchtigen des Entwicklungs- und Entfaltungsdrangs der Kinder. Die Konferenz des BDP, in dem nach Angaben des Verbandes etwa 17.000 Psychologen organisiert sind, verabschiedete am Samstag eine Resolution, in der eine Erweiterung des Grundgesetzes um das Recht auf seelische Unversehrtheit gefordert wird.