„Dauerwellen“ abseits der Mediengenres

Am Wochenende war Frauen-Radio-Tag der Lokalwellen im nordrhein-westfälischen Duisburg  ■ Von Diemuth Roether

Männer handeln, Frauen kommen vor: Auf diese Kurzformel brachte der Medienwissenschaftler Erich Küchenhoff vor fast 20 Jahren seine Erkenntnisse über die Darstellung der Frau im deutschen Fernsehen. Inzwischen gibt es in den Tagesthemen Sabine Christiansen, und Lea Rosh ist in Hannover die erste leibhaftige Funkhausdirektorin. Selbst in der nordrhein-westfälischen Provinz haben Frauen neuerdings die Chance, selbst Programm zu machen— im Privatradio.

In Duisburg, Gelsenkirchen, Bielefeld, Wuppertal aber auch in Köln und Düsseldorf sind seit einigen Monaten mehr oder weniger regelmäßig Frauen auf Sendung. Denn laut Landesrundfunkgesetz haben die im Verbreitungsgebiet eines Lokalsenders lebenden Bürger und Bürgerinnen das Recht, 15 Prozent des Programms zu gestalten. Aber die Bürgerinnen fühlten sich vielerorts übergangen. Zum Beispiel in Duisburg: Im örtlichen Radioverein gab es am Anfang viele interessierte und engagierte Frauen, beschreibt die Duisburgerin Cornelia Sperling. Doch es waren hauptsächlich Männer, die die Regler an den Mischpulten aufzogen und bestimmten, was im Programm des Bürgerfunks vorkommen sollte. Die Frauen fanden sich in den Sendungen nicht wieder und blieben weg.

Einige Unbeirrbare schlossen sich zusammen und gründeten die Duisburger „Dauerwelle“. Seit Januar 1991 machen sie einmal im Monat eine Stunde Frauenprogramm. In Seminaren lernten die Duisburgerinnen, ihre Vorbehalte vor der Technik zu überwinden. Wie ihnen geht es inzwischen vielen Frauen, die sich in verschiedenen Städten Nordrhein- Westfalens zu Frauenradioinitiativen zusammengeschlossen haben. Am vergangenen Samstag hatten die Bürgerfunkerinnen Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen und zu hören, was Frauen anderswo machen. Denn die nordrhein-westfälische Landesanstalt für Rundfunk (LfR), die Frauenprogramme im Bürgerfunk in diesem Jahr mit 150.000 Mark fördert, lud in Duisburg zum ersten Frauen-Radio-Tag.

Aufbruchstimmung lag in der Luft: 200 Frauen kamen nach Duisburg, und in bereits 15 Städten Nordrhein-Westfalens gibt es inzwischen Frauenradioinitiativen, so die Bilanz. Organisatorin Cornelia Sperling vom ForumFrauenRadio NRW ist selbst über die Resonanz auf die Tagung überrascht: „Bis vor einem halben Jahr wußten wir in Duisburg noch nichts von anderen Frauenradioinitiativen.“ Jetzt ist bereits von europaweiter Vernetzung die Rede. Nachdem die lokalen autonomen Frauenzeitungen in vielen Städten eingegangen sind, entdeckten Frauen Radio jetzt als ihr Medium. „Eine Zeitung muß erst mühsam verkauft werden“, erklärt die Düsseldorfer Frauenfunkerin Sylvia Schuster. Die Radiotechnik stehe den Frauen bei den örtlichen Radiovereinen oder Volkshochschulen zur Verfügung. Frauenfunk funktioniere in jenen Städten besonders gut, „wo Frauenradioinitiativen und Gleichstellungsbeauftragte an einem Strang ziehen“.

Viele Frauen — viele Programme: Die Bürgerfunkerinnen wollen vor allem Spaß haben am Radiomachen. Einschaltquoten als Maßstab für „Erfolg“ lehnen sie ab, und nur wenige sehen ihr Programm als „Dienstleistung“ für andere Frauengruppen. Die meisten sind inzwischen davon abgekommen, über „dröge Paragraph-218-Veranstaltungen“ zu berichten, wenn ihnen der Sinn mehr danach steht, eine Sendung über Christa Reinig zu machen, weil sie sie „gerade gelesen haben und ganz toll finden“, bringt die Düsseldorferin Brigitte Wessels die allgemeine Stimmung auf den Punkt. Manche schrecken gar vor dem Wort „feministisch“ zurück, wenn sie ihre eigenen Programme beschreiben sollen.

Probleme bereiten manchen Frauenfunkerinnen die „Hammerthemen“: Die Duisburgerin Petra Kurek versteht darunter die Themen, in denen Frauen als Opfer auftauchen. Zuweilen häufen sich solche Beiträge in den Frauenprogrammen. „Wir wollten diese schwerwiegenden Themen präsentieren“, sagt Petra Kurek, „wir mußten aber auch eine Taktik finden, damit fertig zu werden.“ So fand unter anderem auch die Satire Eingang in die Sendungen der „Dauerwelle“. Zunehmend stellen die Frauenfunkerinnen die klassischen journalistischen Genres in Frage. „Wir sind keine Profis und wollen das auch gar nicht sein“, sagt eine Bochumer Bürgerfunkerin. Der Wunschzettel der Frauenfunkerinnen ist lang. Daß die nordrhein-westfälische Ministerin für die Gleichstellung von Mann und Frau, Ilse Ridder-Melchers, mit einem neuen Gesetzentwurf eine Quotierung der Rundfunkgremien erreichen will, können sie nur begrüßen. Doch sie wollen mehr: einmal im Jahr einen Frauenradiotag, Seminare zur Weiterbildung, und vor allem wollen sie auch in Zukunft bedacht werden, wenn die Landesanstalt für Rundfunk Gelder zu verteilen hat.