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Konterspiel im Komödienstadel

■ Der totgeweihte SB Rosenheim verliert nach der 1:3-Niederlage auch das zweite Play-Off-Finalspiel um die Eishockeymeisterschaft gegen die Düsseldorfer EG zu Hause mit 3:6

Rosenheim (taz) — Das wars wohl. Das Erlebnis Rosenheim in der Bundesliga gehört der Vergangenheit an, mehr noch, Eishockey in Altbayern (außer München) reduziert sich auf statistische Notizen in den Annalen der Sportgeschichte. Nach Riessersee und Bad Tölz, die schon vor langen Jahren die Liga verlassen haben, treten anno 1992 die Landshuter (sportlich) und die Rosenheimer (der Ablauf und die Gründe sind hinreichend bekannt und ähneln einer Inszenierung auf billigen bayerischen Bauernbühnen) den Weg in die sportliche Bedeutungslosigkeit an. Und die Stadt Rosenheim versinkt wieder in den Mief einer Viehzüchtermetropole am Rande der Berge.

Das zweite Play-off-Endspiel um die Eishockey-Meisterschaft der Republik ermöglichte den Anhängern des SB Rosenheim einen traurig-trotzigen Abschied aus der höchsten Liga. Unterstützt und aufgemuntert wurden sie dabei von Delegationen sämtlicher Fanclubs aller in der Bundesliga vertretenen Vereine, selbst von denen der Düsseldorfer EG. Es war auch bemerkenswert, wie eine in ihre Einzelteile zerfallende Mannschaft des SB Rosenheim um die Chance kämpfte, nochmals Deutscher Meister zu werden. Mit allen kämpferischen Mitteln, die den Spielern von Ernst Höfner schon immer eigen waren, versuchte sie verzweifelt, sich der spielerischen Überlegenheit der DEG zu erwehren.

Daß dies nicht gelang, lag jedoch nicht an Schiedsrichter Schnieder, der die Mehrzahl der Rosenheimer Zuschauer häufig zu wahren bayerischen Beschimpfungen verleitete. Die DEG besitzt augenblicklich die am ausgeglichensten besetzte Mannschaft der Liga. Darüber hinaus zelebriert sie ein Spielsystem, das sich deutlich von dem Hauruck anderer Mannschaften unterscheidet. Selbst das frühe 1:0 von Derkatch in Überzahlspiel der Rosenheimer erzielt, konnte die taktische Order von Trainer Zach nicht durcheinanderwirbeln. Sofort nahm er eine Auszeit und erklärte lautstark, wie die DEG auf die Spielweise des SBR zu reagieren habe. Verteidiger Rich Amann und kurz darauf der dritte Sturm mit dem Torschützen Flemming verwandelten den Rückstand in die verdiente Führung.

Damit konnten die Düsseldorfer, hinter sich einen Torhüter De Raaf wissend, ihr geliebtes Konterspiel verwirklichen. Brockmann nutzte dies zu der 3:1-Führung, obwohl er und seine beiden neuen Sturmpartner G.Trunschka und Hegen (Zach stellte überraschend die Angriffsreihen um) sich mit der Erfahrung eines Höfner, Franz und Kummer auseinandersetzen mußten. Allein unnötige Zeitstrafen verhinderten die vorzeitige Entscheidung zugunsten der DEG. Wiederum Derkatch verkürzte noch im zweiten Drittel zum 2:3. Wenn eine Schwäche bei der DEG zu erkennen war, dann ihr Verhalten bei eigener numerischer Überlegenheit.

In der Drittelpause war es allen klar, daß ein kleines Wunder geschehen müßte, damit der SBR das Eis als Sieger verlassen könnte. Wunder gibt es bloß in einschlägigen Märchenbüchern, aber Wille, Kraft und das Bewußtsein, nichts mehr zu verlieren als ein ödes Spiel, können in einer sportlichen Auseinandersetzung die Wende einleiten: Die Rosenheimer ließen die DEG nicht mehr ins Spiel kommen. Bereits in deren Drittel störten sie die Gegenspieler, hetzten leidenschaftlich jedem auch noch so sinnlos nach vorne geschlagenen Puck hinterher und bekämpften mit sämtlichen erlaubten und oft auch unerlaubten Gemeinheiten die Spielkünste der DEG. Die Einheimischen sahen sich im Himmel, als Ahne endlich, zehn Minuten vor Schluß, den erlösenden Ausgleich erzielte. Trainer Starsi warf die Sturmreihen durcheinander, Ron Fischer verließ nicht mehr das Eis, und jeder erwartete die Führung des SBR.

Doch das kraftraubende Spiel zeigte andere Wirkung. Immer langsamer wurden die Spurts von Oldie Höfner, immer öfter befreiten sich die Düsseldorfer gekonnt aus der Umklammerung. Hegen, sicherlich einer der technisch besten deutschen Spieler, blieb es vorbehalten, den Hoffnungen der Rosenheimer ein Ende zu setzen. Elegant schlenzte er an Verteidiger und Torhüter Friesen vorbei zum 4:3. Valentine und nochmals Hegen stellten in den Schlußminuten den Endstand von 6:3 für Düsseldorf her.

Ernst Höfner ärgerte sich noch über die leichtsinnige vergebene Führung im ersten Drittel, gab dann aber zu, daß die Seinen verdient verloren hätten und prophezeite ein spannendes drittes Spiel. Der DEG- Trainer Zach, der so „grantig“ aussieht wie er sich gibt, lobte sich selbst und die Leistung des Schiedsrichters. Sich selbst, weil er seine Mannschaft auf die hektische und harte Spielweise der Rosenheimer eingestellt hatte, und den Schiedsrichter, weil der „gerecht“ geleitet hatte, was bei den VIPs des bayerischen Oberlandes helle Empörung hervorrief. Starsi beruhigte seine Fans in Loden und kritisierte Herrn Schnieder ob seiner sinnlos verteilten Strafzeiten.

Kurz war die Pressekonferenz, alle wollten zum Rosenheimer Starkbierfest, die einen, um den Deutschen Meistertitel vorab zu feiern, die anderen, um den Kummer über ihr Aus im dunklen Sud eines hochprozentigen Bieres zu ertränken. Werner Steigemann

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