Israelischer Außenminister tritt vorläufig zurück

David Levy kündigt drei Monate vor den Wahlen seinen Rücktritt an/ Ministerpräsident Schamir bleibt eine Woche zur Suche nach einem Kompromiß/ Kritik an starrer Haltung gegenüber den USA und Diskriminierung orientalischer Juden im Likud-Block  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

„Ich habe keine Wahl. Ich bin gekommen, um euch mitzuteilen, daß ich mich entschieden habe, aus der Regierung auszuscheiden.“ Mit diesen Worten kündigte David Levy vor seinen geschockten Parteifreunden vom Likud-Block Sonntag abend seinen Rücktritt an. Sein Rücktritt als israelischer Außenminister und stellvertretender Regierungschef wird jedoch erst 48 Stunden nach Einreichung des Gesuches beim Kabinett wirksam. Da die nächste Kabinettsitzung am nächsten Sonntag stattfindet, bleibt bis zu Levys endgültigem Ausscheiden aus der Regierung noch eine Woche Zeit.

In Kreisen um Ministerpräsident Jizchak Schamir hieß es gestern, man habe mit dem Rücktritt gerechnet. Aus dem Büro Schamirs war zu erfahren, der Chef beabsichtige nicht, innerhalb der nächsten Woche auf Forderungen Levys einzugehen, um so den Rücktritt doch noch zu verhindern. Levy verlangt von Schamir, daß seine „Fraktion“ innerhalb des Likud sowohl in Parteigremien als auch in der Regierung entsprechend ihrer Anhängerschaft vertreten wird. Der Außenminister, der als Einwanderer aus Marokko zu den sephardischen Juden gehört und seine Existenz in Israel als Bauarbeiter begründete, beklagt die anhaltende Diskriminierung sephardischer Juden im Likud. Zugleich griff er in den letzten Wochen immer wieder die harte Linie Schamirs gegenüber Washington an und profilierte sich als vehementer Befürworter der Nahost-Friedensgespräche.

Levys Ziel ist fraglos das Amt des Ministerpräsidenten. Schamir dagegen sähe am liebsten Verteidigungsminister Mosche Arens als seinen Nachfolger. Besonders benachteiligt fühlt sich Levy gegenüber den askenasischen, also europastämmigen „Prinzen und Fürsten“ des Likud, wie den Ministern Milo, Olmert und Meridor. Die Anhänger Levys drohen in Zusammenhang mit Levys Rücktritt, den Likud-Block gemeinsam mit ihrem Wortführer zu verlassen. Sie planen die Gründung einer eigenen Partei, die im Falle eines Wahlsieges der Arbeiterpartei mit dieser koalieren würde. Levy weiß aber, daß er seinen Traum, israelischer Ministerpräsident zu werden, nur als Kandidat einer der beiden großen Parteien verwirklichen kann. Einer Kompromißlösung innerhalb des Likud gäbe er sicherlich den Vorzug. Einen solchen Ausweg zu finden, hat Schamir innerhalb dieser Woche Gelegenheit.

Die „Revolte“ des Außenministers, drei Monate vor den Wahlen, kommt dem Likud höchst ungelegen. Als gefährlich gilt vor allem Levys Vorwurf ethnischer Diskriminierung innerhalb der Likud-Führung. Gerade die sephardische Mehrheit in Israel war es, die der Partei im Jahr 1977 an die Macht verhalf. Der bis dahin regierenden Arbeiterpartei war damals „askenasische Überheblichkeit“ und Benachteiligung der Einwanderer aus orientalischen Ländern vorgeworfen worden.

Die Krise innerhalb der Likud- Führung wird durch die Rücktrittserklärung Levys zur ernsten Bedrohung der Partei. Sollte Levy seine Ankündigung tatsächlich wahrmachen, wird entweder Ministerpräsident Schamir zusätzlich das Außenamt übernehmen, oder aber, übergangsweise, der Levy-Rivale und frühere stellvertretende Außenminister Benjamin Natanjahu wird zum Übergangsaußenminister.

Levys Angriff auf seine eigene Partei hat den Likud schwer getroffen. In einer Rede vor seinen Anhängern am Sonntag abend unterzog er Innen- und Außenpolitik sowie Likud-Interna einer vernichtenden Kritik. In weiten Teilen hätte Levys Rede wie „eine Wahlkampfansprache der Opposition“ geklungen, klagte eine Likud-Ministerin im Anschluß. Um weiteren Schaden zu verhindern, wird die Parteiführung wohl versuchen, einen Kompromiß mit dem Außenminister zu finden, trotz des enormen Ärgers über dessen „Sabotage“. Einer der nichtsephardischen Anhänger Levys, der Likud-Abgeordnete und Vorsitzende der Einwanderungskommission der Knesset, Michael Kleiner, sagte: „Levy hat Schamir einen geladenen Revolver in die Hand gelegt. Schamir muß nun entscheiden, ob er auf die Arbeiterpartei oder auf Levy schießt. Schamir kann sich nun seinen alten Wunsch erfüllen, Levy nach Hause zu schicken. Aber wenn er das macht, wird er damit den Likud für viele Jahre auf die Oppositionsbänke verbannen.“

Hocherfreut zeigte man sich bei der Opposition über Levys Vorstoß. „Merez“, die gemeinsame Wahlliste der Arbeiterparteien und ihrer Partner, begrüßte in einer Erklärung Levys scharfe Kritik des Likud „von innen heraus“, die mit der Ablehnung des Likud „von außen“ praktisch identisch sei.

Scharfe Kritik Levys an Helmut Kohl

Vor seiner Rücktrittsankündigung übte Levy scharfe Kritik an Bundeskanzler Kohl. Nach einem Treffen des österreichischen Bundespräsidenten und Ex-Wehrmachtsoffiziers mit NSDAP-Parteibuch, Kurt Waldheim, hatte Kohl auf Kritik des Jüdischen Weltkongresses mit der Bemerkung reagiert, er lasse sich nicht vorschreiben, wen er auf deutschem Boden empfange. Levy erklärte: „Den Juden gegenüber muß Deutschland feinfühliger sein. Es ist noch nicht viel Zeit verflossen. Wir erwarten nicht nur Verständnis, sondern stets Heiligung des Angedenkens. Man sagt, daß es ein anderes Deutschland gibt. Wir möchten den Ausdruck einer solchen Änderung sehen und finden derlei Erklärungen verwerflich.“