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Spanien: Paradies für Börsenschieber

Der Finanzskandal um die Aktienverkäufe der Sistema Financieros hat die Führungselite Spaniens erfaßt  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Die spanischen Financiers und Spekulanten plagt eine seltsame Unruhe. Die Finanzjongleure fürchten, in den Strudel des kürzlich aufgedeckten Börsenskandals gerissen zu werden. Seit Mitte Februar die Tageszeitung 'El Mundo‘ die ersten Einzelheiten dunkler Machenschaften in der spanischen Finanzwelt aufdeckte, ist selbst die staatliche Bank von Spanien nicht ohne Schaden geblieben.

Dabei begann alles recht harmlos. Die Wertekommission, eine Art Börsenaufsicht, hatte von der Finanzgruppe Sistemas Financieros eine Aktionärsliste angefordert, nachdem im Sommer 1990 reihenweise Aktienpakete veräußert wurden. Kurz nach den Verkäufen war der Kurs um die Hälfte abgesackt; wer seine Aktien nicht rechtzeitig abgestoßen hatte, mußte herbe Verluste hinnehmen. Einer der Hauptverkäufer war Jaime Soto, Miteigentümer von Sistemas Financieros. Sistemas- Präsident Manuel de la Concha lieferte der Wertekommission, der die Verkaufsbedingungen verdächtig vorgekommen waren, eine Aktionärsliste ab — doch diese war laut 'El Mundo‘ gefälscht, um die Namen bestimmter Personen zu verschleiern. Hinter dem auf der Liste aufgeführten Namen M. Salvador, schrieb die Zeitung, verberge sich Ex-Wirtschaftsminister Miguel Boyer, mit Maria Isabel Arrastia sei dessen Ehefrau Isabel Preysler gemeint. Und jener M. Jimenez der Liste sei in Wirklichkeit Manuel Rubio Jimenez, Vorsitzender der Bank von Spanien.

Die Wertekommission begann zu ermitteln, ob es eine Bevorteilung bestimmter Aktionäre durch Insider Trading, also nicht allen zugängliche Informationen gab. Doch der Vorsitzende von Sistemas Financieros versicherte, die Verschleierung der Namen sei nur eine Frage der Diskretion gewesen, und Mariano Rubio bot Regierungschef Felipe Gonzalez seinen Rücktritt an, den dieser jedoch ablehnte.

Kurz darauf wurde bekannt, daß Mariano Rubios Bank von Spanien der Banco Ibercorp eine Kreditlinie von umgerechnet 85 Millionen Mark gewährt hatte. Die Banco Ibercorp, eine kleine, private Bank, gehört ebenso wie Sistemas Financieros und ein weiteres Finanzunternehmen namens Grupo Financiero Ibercorp dem Geschäftsmann und Rubio- Freund Manuel de la Concha sowie dessen Sozius Jaime Soto. Selbst nach der geplanten Fusion der drei Unternehmen wäre der Komplex 20 Millionen Mark weniger wert gewesen als der gewährte Kredit.

Doch 'El Mundo‘ legte nach: Im Jahre 1988 habe Rubio seinem Freund De la Concha eine bevorstehende Zinserhöhung angekündigt. Dieser habe daraufhin verschiedene Finanzaktionen getätigt, die ihm zu hohen Gewinnen verhalfen. Zwei Tage später enthüllte 'El Pais‘, daß die Banco Ibercorp ihrem Hauptaktionär Manuel de la Concha 1990 einen zinsfreien Kredit in Höhe von 8 Millionen Mark gewährt hatte. Rückbezahlt wurde dieser Kredit mit Aktien der Gruppe Ibercorp Bolsa, die in der Zwischenzeit im Kurs sanken. Die Verluste trug, wie üblich, die Gemeinschaft der Aktionäre. Unterdessen wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Jaime Soto, Miguel Boyer und Mariano Rubio wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei Ibercorp eingeleitet.

Im März stellte die Banco Ibercorp ihre Zahlungen ein. Kurz darauf wurde bekannt, daß De la Concha neben den bekannten Ibercorp-Firmen ein unterirdisches Geflecht gegründet hatte, das aus mehreren Briefkastenfirmen bestand, die als Makler agierten. Die Maklergebühren gingen zu Lasten der Ibercorp-Aktionäre, eingestrichen wurden sie von De la Concha. Mariano Rubio geriet erneut in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, daß seine Schwester, sein Schwager und ein Cousin als Mitglieder des Verwaltungsrats einer Firma namens Schaff Investments fungierten, die in Luxemburg tätig war. Schaff Investments gehörte zu den hauptsächlichen Verkäufern von Ibercorp-Aktien im Juni 1990.

Spanien hat sich in den achtziger Jahren zu einem Paradies für Spekulanten und Börsenschieber entwickelt. Ibercorp ist in diesem Feld nur eines der kleineren Werkzeuge zum Zwecke schneller Bereicherung. Die Indiskretionen zielten darauf ab, ein weiteres Mandat Rubios als Gouverneur der Bank von Spanien zu verhindern, spekuliert denn auch die Presse. Doch der Skandal zieht immer weitere Kreise: Rubio, der ehemalige Wirtschaftsminister Miguel Boyer und seine Frau Isabel Preysler, Manuel de la Concha und Jaime Soto sind herausragende Mitglieder der sogenannten „beautiful people“, jener Führungskräfte, die sich seit der Regierungsübernahme durch die Sozialisten schnell und nachhaltig bereichert haben. Der Skandal trifft den rechten Flügel der Sozialisten um den Wirtschaftsminister Solchaga und empört diejenigen, die die Sozialisten gewählt haben, aber sich heute noch mit Hungerlöhnen zufriedengeben müssen. Die Regierung fürchtet indessen, wie üblich, vor allem eins: Die Verschlechterung des spanischen Ansehens im Ausland.

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