Honecker bleibt erst mal, wo er ist

■ Chilenische Unterhändler sondieren weiter in Moskau/ Entscheidung steht weiter aus

Moskau (dpa/taz) — Ein eigentlich gestern geplantes Gespräch der chilenischen Sonderbotschafter mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Boris Kolokolow ist um einen Tag verschoben worden. Für die Verschiebung der Unterredung der Sonderemissäre James Holger und Roberto Cifuentes im russischen Außenministerium, wo über das Schicksal des früheren DDR- Staats- und Parteichefs Erich Honecker diskutiert werden sollte, wurden Terminschwierigkeiten auf russischer Seite angegeben.

Am Wochenende hatten Holger und Cifuentes in Moskau mit den drei Anwälten Erich Honeckers gesprochen. Nach ihren Gesprächen in Moskau wollen die chilenischen Sonderbotschafter nach Santiago zurückkehren, wo dann eine Entscheidung über den Verbleib Erich Honeckers getroffen werden soll. Honecker, der sich seit dem 11. Dezember in der chilenischen Botschaft aufhält, will nach wie vor nicht freiwillig in die Bundesrepublik zurückkehren, da er befürchtet, hier einem Schauprozeß ausgeliefert zu werden. Die Bundesrepublik verlangt die Rückführung Honeckers, gegen den ein Haftbefehl wegen der Todesschüsse an der Mauer vorliegt. Honecker hatte demgegenüber gefordert, er wolle zumindest erst einmal eine Anklage gegen ihn lesen, bevor er sich zu einer möglichen freiwilligen Rückkehr äußere. Die Bundesregierung hat dies abgelehnt, da „Herr Honecker seit langem weiß, was ihm vorgeworfen wird“. Tatsächlich hat die zuständige Staatsanwaltschaft in Berlin eine Anklage aber noch nicht vorgelegt — dies soll aber noch im Frühjahr geschehen. In einem Verfahren soll Honecker dann gemeinsam mit Mielke und anderen Politbüromitgliedern wegen Anstiftung zum Mord angeklagt werden.

Gegenüber der 'Berliner Zeitung‘ sagte einer der Anwälte, Wolfgang Ziegler, es werde zwar eine Entscheidung vorbereitet, Signale auf ein schnelles Ende gebe es jedoch nicht. Eine mögliche Variante hatte ein anderer Honecker-Anwalt, Nicolas Becker, bereits früher gegenüber der taz skizziert. Die chilenische Regierung könnte die Bundesregierung auffordern, ein förmliches Auslieferungsbegehren zu stellen. Dies müßte dann der oberste Gerichtshof in Santiago prüfen und letztendlich über eine Auslieferung entscheiden. JG