Der Innensenator jagt jetzt den Sachsenring

■ Heckelmann läßt Senatsbedienstete auf Dialekt überprüfen/ Sind Sachsen schlechte Demokraten?/ Bergmann: Innensenator ist ein »Besserhessi«

Berlin. Ein neues Überprüfungsverfahren für Arbeiter, Angestellte und Beamte im Berliner öffentlichen Dienst erregt die Gemüter im Senat. In Fragebögen, die der CDU-nahe Innensenator Dieter Heckelmann seit kurzem in allen Dienststellen verteilen läßt, wird nicht mehr nur nach Stasi-Kontakten oder einer früheren SED-Mitgliedschaft gefragt, sondern auch nach der, so wörtlich, »landsmannschaftlichen Herkunft«. Die öffentlich Bediensteten sollen nicht nur ihren Geburtsort angeben, sondern auch ankreuzen, ob ihre angestammte Mundart »Berlinerisch«, »Bayerisch«, »Schwäbisch«, »Rheinländisch«, »Plattdeutsch« oder »Sächsisch« sei.

Im Hause Heckelmanns wird das Verfahren mit einer neuartigen »Landeskinderregelung« begründet. In Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit und sinkender Zuschüsse aus Bonn wolle man Arbeitsplätze bevorzugt mit Berlinern besetzen. Rheinländer, Bayern und Schwaben, die in ihren reichen Heimatländern mühelos einen neuen Arbeitsplatz finden könnten, dürften deshalb »nicht in jedem Einzelfall« mit ihrer Weiterbeschäftigung rechnen. Daneben verfolgt Heckelmann jedoch, wie in seiner Umgebung eingeräumt wird, ein weiteres Ziel: Der öffentliche Dienst soll auf der Suche nach Sachsen »durchkämmt« werden. Nachdem bei der Stasi- und SED- Überprüfung »einige rote Socken durch die Maschen geschlüpft« seien, versuche man nun mit dem »Dialekt-Check« (so ein Heckelmann-Referent), die verbliebenen »Kryptokommunisten« aufzuspüren. Zu diesem Zweck werde der Innensenator auch sogenannte »verdeckte Dialektermittler« einsetzen. »Sachsen haben sich in diesem Jahrhundert als sehr anfällig für jede Spielart des Totalitarismus gezeigt. Sie bieten deshalb keine Gewähr, daß sie sich jederzeit für die freiheitlich- demokratische Grundordnung einsetzen«, heißt es in einem Gutachten der Innenverwaltung. Heckelmann kann sich außerdem auf neue Erkenntnisse des polizeilichen Staatsschutzes berufen. Die Staatsschützer entdeckten in mehreren, als Autowerkstätten getarnten konspirativen Treffpunkten im Ostteil der Stadt Flugblätter und Broschüren einer offenbar terroristischen Geheimorganisation namens »Sachsenring«, deren Sitz nach den bisherigen Erkenntnissen in Zwickau sein soll.

Auf Protest stieß die geplante Dialektkontrolle in der gestrigen Senatssitzung. Die in Dresden geborene Bürgermeisterin Christine Bergmann (SPD) warf dem Innensenator vor, »dem dialektischen Materialismus nachträglich zum Sieg« zu verhelfen. »Sehr verwundert« zeigte sich die Bürgermeisterin, daß hessische Senatsbedienste völlig ungeschoren bleiben sollen. Offenbar, so Bergmann verärgert, fühle sich der in Wiesbaden geborene Innensenator als »Besserhessi«. Hans-Martin Tillack