Wer mogelt, fliegt raus

■ Von einer, die auszog, Bridge zu lernen

Obwohl seit Jahren passionierte Kartenspielerin, nahm ich mir bei meinem Umzug nach Irland fest vor, meinen Kartenspielhorizont zu erweitern und ein Spiel zu erlernen, über das ich echt merkwürdige Dinge gehört hatte: Bridge.

Meine Vorstellung war, daß zu diesem von den oberen Gesellschaftsschichten monopolisierten Spiel ältere Damen mit bläulich- grau-gefärbtem Haar und gesetzte Herren mit Schlips und Kragen zusammenkämen, um einem äußerst zivilisierten und stark reglementierten Freizeitvergnügen zu frönen. Daß dem keineswegs so ist, entdeckte ich, als ich vor einem halben Jahr beschloß, mich ernsthaft mit Bridge auseinanderzusetzen. Schnell mußte ich feststellen, daß dieses Unternehmen komplizierter sein würde als mein Ad-hoc-Skatkurs, den ich morgens und mittags im Schulbus absolvierte: fünf Monate Unterricht, drei Stunden jeden Montagabend, um in die Bridge-Theorie eingewiesen zu werden und ein wenig Praxis zu bekommen.

Der Kurs findet in einer Schule statt. In meiner Klasse sind 20 TeilnehmerInnen, die meisten so um die 50, jedoch ohne die oben vermuteten Merkmale. Bridge wird heutzutage von ganz „normalen“ Menschen gespielt; es ist nicht mehr das High-Society-Hobby, das es noch Anfang der siebziger Jahre war. Auch gibt es keine Altersgrenze: An dem Spiel erfreuen sich Zehn- bis Achtzigjährige. Seit 1985 veranstalten die irischen Schulen alljährlich eine Schülermeisterschaft. Turniere für Erwachsene werden in Hülle und Fülle angeboten und sind außerordentlich populär. Schätzungen zufolge haben sich ca. 30.000 Iren und Irinnen — bei einer Gesamtbevölkerung von 3,5 Millionen — dem regelmäßigen Bridgespielen verschrieben. Viele gehen dem Vergnügen zu Hause nach, die Mehrheit jedoch wird Mitglied in einem der über 400 Clubs, die es landesweit für die verschiedenen Stufen der Spielbeherrschung gibt. Wer es in diesen Clubs zu etwas bringt, kann sich eventuell Hoffnung darauf machen, in die irische Nationalmannschaft aufgenommen zu werden und so an den Europa- und Weltmeisterschaften teilzunehmen.

Wie funktioniert Bridge eigentlich? Zu jedem Tisch gehören vier SpielerInnen, wobei die zwei sich gegenübersitzenden jeweils ein Team bilden. Zuerst wird durch das Anfängern äußerst kompliziert erscheinende Reizen entschieden, wer spielt. Die (guten) Spieler tauschen hierbei so viele Informationen untereinander aus, daß jeder eine recht genaue Vorstellung von der Hand des Partners sowie der Gegner haben sollte. Die Mannschaft, die am höchsten reizt, bestimmt, was gespielt wird. Einer der beiden legt die Karten offen auf den Tisch, und der andere spielt nun sowohl mit diesen als auch mit seinen eigenen Karten. Ziel ist es, mindestens so viele Stiche zu machen, wie die Mannschaft beim Reizen angekündigt hat. Gelingt dies nicht, werden der gegnerischen Mannschaft entsprechende Pluspunkte angeschrieben.

Abgesehen von den schriftlich verankerten Regeln gibt es beim Bridgespielen ein Gesetz, dessen Verletzung weitreichende Folgen bis hin zur Ächtung durch die zivilisierte Welt haben kann: Vor einigen Jahren wurde ein international anerkannter britischer Nationalspieler bei einem Turnier des „unsauberen Spielens“ bezichtigt. Obwohl ihm der Mogelakt nie nachgewiesen werden konnte, bekam er zu spüren, welche Kreise dieses vermeintliche Delikt zog: Ihm wurde das Einreisevisum für einen in den Vereinigten Staaten stattfindenden Bridge-Wettbewerb verweigert. Annette Simon

Die Autorin ist Lehrbeauftragte an der Dublin City University.