Holstein ohne Hennig

Nach Stoltenbergs Sturz bleibt nur das Schicksal der kleinen Parteien in Schleswig-Holstein spannend  ■ Aus Kiel Jürgen Oetting

Die offizielle Parteilinie lautet: „Jetzt erst recht!“ Doch in Kiel gibt wenige Tage vor der Wahl keiner einen Pfifferling mehr auf die Christdemokraten. Der Rücktritt des schleswig-holsteinischen CDU-Ehrenvorsitzenden Gerhard Stoltenberg vom Amt des Bundesverteidigungsministers und die damit verbundene automatische Entlassung seines Parlamentarischen Staatssekretärs Ottfried Henning trafen die Partei wie überflüssige Fußtritte einen, der längst gestrauchelt ist.

Das Rennen um die Mehrheit im Landtag war nämlich schon vor der Bonner Kabinettsumbildung gelaufen: Der SPD-Bundesvorsitzende Björn Engholm bleibt unangefochten Ministerpräsident, und sein Herausforderer Hennig wird die CDU nicht aus der Talsohle führen können, in die sie vor vier Jahren von Uwe Barschel manövriert wurde. Spannend wird nur das Abschneiden der kleineren Parteien.

Am Sonntag beantworten 2,1 Millionen Wahlberechtigte auch Fragen, die während des wochenlangen Engholm-Festivals und der jüngsten Stoltenberg/Henning- Posse weit im Hintergrund blieben: Kann der deutsche Däne Karl-Otto Meyer, der zur Zeit noch die personifizierte dritte Kraft im Landtag ist, sein Einzelmandat für den „Südschleswigschen Wählerverband“ (SSW) halten? Kehren die Liberalen nach vier Jahren parlamentarischer Abstinenz ins Hohe Haus zurück? Schaffen die Grünen erstmals in ihrer Geschichte den Einzug ins Landesparlament? Sorgen die neofaschistische DVU oder die rechtsradikalen Republikaner für eine böse Überraschung? In Erwartung einer erneuten absoluten Mehrheit für die Sozialdemokraten und wegen des Fehlens landespolitischer Reizthemen haben sich SSW, FDP und Grüne für Sympathie- und Imagewahlkämpfe entschieden, wobei die kleinste Partei eindeutig im Vorteil ist. Der SSW ist als Vertretung einer nationalen Minderheit zwar von der Fünf-Prozent-Regelung befreit, muß aber — allerdings nur im Landesteil Schleswig — auf etwa 24.000 Stimmen kommen. Erst dann kann er Anspruch auf eines der 75 Landtagsmandate erheben.

Die Image-Wahlkämpfe von Grünen und FDP führten zu einem kuriosen Ergebnis. Die Liberalen gelten im Lande inzwischen als unseriös, die Grünen als bieder. Der FDP-Landesvorsitzende Wolfgang Kubicki veranstaltete in den vergangenen Wochen eine maßlose Personality-Show, bei der er kaum ein Fettnäpfchen ausließ. So würzte der Mann, der sich für einen gutaussehenden Charmeur hält, viele seiner öffentlichen Auftritte mit Sprüchen, die am Rande der Frauenverachtung lagen.

Auch den Grünen gelang es nicht, öffentlichkeitswirksam eigene Themen zu setzen. Ihre Spitzenkandidatin Irene Fröhlich fuhr zwar Sympathie-Pluspunkte ein, konnte die Wahlkampflangeweile im Norden aber genausowenig durchbrechen wie alle anderen. Die Grünen hoffen nun darauf, daß ihr Stammwählerpotential sich nicht von der Wahlmüdigkeit anstecken läßt. Dann könnte es reichen, denn es wird eine außergewöhnlich niedrige Wahlbeteiligung erwartet.

Ob davon DVU oder Republikaner profitieren können, ist offen. Sie traten im Wahlkampf nur durch aggressive ausländerfeindliche Plakate und Fernsehspots hervor.