Manipulierte Umweltsensationen

■ Bildsalat bei Petra Kellys Magazin „Fünf vor zwölf“ auf Sat.1

„Auf Lettlands Kinder wartet der Tod“ war der reißerische Titel eines Films, der vielen Zuschauern unter die Haut ging. Der Beitrag lief am 28.Januar in der von Petra Kelly moderierten Sat.1-Umweltreihe Fünf vor zwölf.

Erschreckende Bilder: Naheinstellungen von mißgebildeten Kindern, die, so suggerierte der Film, in der Nähe großer Mikrowellen ausstrahlender Radaranlagen geboren wurden. Diese militärischen Abhöranlagen der Roten Armee wurden im Anschluß gezeigt. Kommentar aus dem Off: „In Gulbene haben fünfmal mehr Kinder angeborene Herzfehler als anderswo; und doppelt soviele Kinder sind geistig behindert.“ Der Film ist eine plumpe Fälschung.

Der Schwindel flog eher zufällig auf. Jürgen Lossau, Autor aus Hamburg, wollte Ausschnitte des Films für eine NDR-Produktion über Elektrosmog verwenden. Das Vorhaben erwies sich als schwierg. Sat.1 hatte den Umweltreport nämlich an eine Produktionsfirma in Bremen weitervergeben. Dort schaltete man wiederum einen neuen Partner ein: die Film- und Fernsehproduktion „telepublik“ in Münster. Als das Videoband endlich eintraf, wunderte sich Lossau: „Genau jene Bilder verstümmelter Kinder, die als Beweis für schädliche Radarstrahlung dienten, fehlten im Material.“ Mißtrauisch geworden, wandte sich Lossau an Hubert Schulze-Hobeling, den Autor des Films. Der äußerte Erstaunliches: „Die Passagen fehlen, weil ich gar nicht weiß, wo das Material mit den mißgebildeten Kindern aufgenommen wurde.“

Schulze-Hobeling hat diese Schlüsselszenen nämlich nicht selbst gedreht, sondern von einer lettischen Ärztin zur Verfügung gestellt bekommen. Wo die gezeigten Kinder tatsächlich leben und warum sie krank sind, interessierte dabei augenscheinlich nicht. Lettland war weit, eine Überprüfung der Geschichte unwahrscheinlich. Petra Kelly: „Schulze-Hobeling hat mir gesagt, daß er das Material nicht selbst aufgenommen hat. Wenn sich bewahrheitet, daß der Film gefälscht wurde, ist das ein riesiger Skandal.“ Jens Bergmann