Frauenfrage als Demokratiefrage

Bilanz des Projekts „Maghreb Women Horizon 2000“ auf der Tagung „Frauen, Demokratie und Islam“  ■ Aus Berlin Ute Scheub

Als Scheherazade verkleidet und mit falschen Perlen behängt, sitzt die marokkanische Soziologieprofessorin Fatima Mernissi auf einem Sofa. „Mein Mann weiß, was ich mir wünsche“, flüstert sie. „Einen Compuuuter!“ Der kleine Videoclip, der vorgestern in ihrer Anwesenheit auf der Tagung „Frauen, Islam und Demokratie“ im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ vorgeführt wurde, war im Rahmen des UNO- Projekts „Maghreb Women Horizon 2000“ hergestellt worden. Fatima Mernissi stieß damit das zentrale Problem der arabischen Frauen an: ihre fehlende Kommunikation mit der Welt.

„Die Mauern des Schweigens einreißen“ — auch der Titel der Veranstaltung wies darauf hin: Mit dem Schleier wurde den Frauen der Mund verboten, er wurde zur Mauer zwischen dem männlichen und dem weiblichen Teil der Gesellschaft. Die Kommunikation, die Veröffentlichung von Büchern und Bulletins und die Herstellung von witzigen Videoclips gehören deshalb zu den Zielen des von der Soziologieprofessorin geleiteten Projektes „Maghreb Women Horizon 2000“. Motto: „Mit Humor kann man Männer verändern.“

Finanziert wird dieses seit August 1989 neu aufgebaute Netzwerk von Frauenforscherinnen, Wissenschaftlerinnen und Literatinnen unter anderem von der UNO und der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Ein wichtiger Erfolg sei gewesen, so Fatima Mernissi, daß die Bücher in Tunesien, Marokko und Algerien gleichzeitig erschienen. Die tunesische Journalistin Rachida Enneifer bestätigte, früher sei es ungeheuer schwer gewesen, von Frauen geschriebene Bücher zu veröffentlichen, „also wurden wir selbst zu Verlegerinnen“.

Der algerische Rechtsanwalt Nouredine Saadi stellte die Buchreihe „Die Frau und das Gesetz“ vor. Im Familien- und Zivilrecht der Länder des Maghrebs sei die Frau nach wie vor „Objekt der Familie, sie steht ständig unter der Vormundschaft des Vaters und des Ehemanns“, so Nouredine Saadi. „Die Frauenfrage“, meinte er, „ist die vorherrschende Frage für die kommende Zeit, die zentrale Frage für die Demokratie, so wie im 19. Jahrhundert die Arbeiterfrage. Die Gesellschaften werden entweder über die Befreiung der Frau zur Freiheit gelangen oder niemals.“

Sätze, die kaum jemals von europäischen Männern gehört wurden. Das zentrale Problem für die arabische Welt formulierte der Rechtsanwalt so: „Wenn eine Welt sich im Universellen auflöst, wie können wir wir selbst bleiben?“ Diese auch von den Fundamentalisten gestellte Frage sei eine gute Frage, ihre Antwort sei jedoch eine schlechte: „Wir können uns nicht auf die Mythen der Vergangenheit berufen.“

Rachida Enneifer sah es ähnlich: „Wir alle sind geteilt in Tradition und Moderne und müssen ständig nach einem inneren Gleichgewicht streben.“ Es störe sie jedoch, daß das europäische Publikum ständig den Fundamentalismus in den Mittelpunkt aller Probleme stelle. „Mit einem Tuch um den Kopf werde ich plötzlich als völlig anderes Wesen gesehen“, spielte sie auf die Podiumsdiskussion zu Beginn der Tagung an (die taz berichtete). Auch Fatima Mernissi zeigte sich „schockiert vom hiesigen Geist des Kreuzzuges für oder gegen den Islam. Die Vorstellung, alle Fundamentalisten seien gewalttätig, ist einfach lächerlich.“