Kandidat für den „dreckigsten Job der Welt“

Ein texanischer Milliardär will als Unabhängiger gegen Bush und Clinton kandidieren/ Die Wähler rennen dem angeblich politisch unvorbelasteten Ross Perots die Türen ein  ■ Von Martina Sprengel

Washington (taz) — Eigentlich will er ja gar nicht Präsident werden, der 61jährige Multi-Milliardär aus Texas. Das sei der „härteste, dreckigste und undankbarste Job der Welt“, hat er noch vor gar nicht so langer Zeit festgestellt. Wenn ihn die amerikanischen Wähler aber in die Pflicht nehmen, will Ross Perot sich dem nicht verweigern. Und seitdem Perot sich im Februar vor millionenfachem Fernsehpublikum zu einer Kandidatur bereit erklärt hat, wenn nur genügend Leute dafür sorgen, daß er in allen 50 US-Staaten zu den Präsidentschaftswahlen im November antreten kann, laufen bei ihm die Telefone heiß. Mehr als eine Million Anrufe hat er in den vergangenen Wochen bekommen, an einem Tag allein waren es fast 260.000. Seitdem will er nun doch, und zwar als unabhängiger Kandidat, ohne Unterstützung einer Partei und die damit verbundenen Abhängigkeiten.

Der kleine Mann mit der platten Nase — auf dieselbe ist er in jungen Jahren, als er noch Pferde einritt, zu oft gestürzt — ist das klassische Beispiel des amerikanischen Self-Made- Mans. Aus einfachen Verhältnissen kommend, arbeitete er sich im Computerkonzern IBM schnell zum besten Verkäufer hoch, der sein Jahrespensum bereits am 19. Januar absolviert hatte. Mit nur 1.000 Dollar gründete er seine eigene Firma, Electronic Data System, die die Basis zu seinem heute schätzungsweise 2,3-Milliarden-Dollar-Vermögen legte. Aber nicht allein dieser märchenhafte Aufstieg machte ihn über die Grenzen von Texas hinaus berühmt, sondern seine unkonventionelle Art, sein Geld auszugeben. 1969 versorgte er amerikanische Kriegsgefangene in Nord-Vietnam zu Weihnachten mit Post von zu Hause, Medikamenten und einem Festessen. Kosten: 1,5 Millionen Dollar. Und zehn Jahre später wurde er endgültig zum Volkshelden, als er zwei seiner Angestellten auf eigene Faust aus einem iranischen Gefängnis befreien ließ.

In einem Jahr wie diesem, in dem die Wähler einen tiefen Groll und Mißtrauen gegen die Regierungsfestung Washington und alle dort versammelten Politiker hegen und in dem sie das Angebot an Kandidaten unbefriedigt und nach mehr schreien läßt, glauben viele, mit diesem zupackenden Kerl den lange gesuchten Retter endlich gefunden zu haben. Schließlich hat er zwei ganz zentrale Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten. Erstens: Er ist tatsächlich der politische Außenseiter, als den sich die alten Polit-Hasen Clinton, Brown und Bush verzweifelt zu präsentieren versuchen. Zweitens: Er scheint ein Rezept für alle Wehwehchen der amerikanischen Gesellschaft zu haben. Und es sieht ja auch alles so einfach aus, wenn man Ross Perot heißt.

Nur zu gerne vergleicht er Amerika mit dem Automobilriesen General Moters, dessen Manager Mitte der 80er Jahre seine Reformideen pikiert ablehnten, weil es auch ihnen an den Kragen gegangen wäre, und der heute Tausende von Mitarbeitern entlassen muß. Um Amerika zu retten, sei es noch früh genug, jetzt müsse aber schnell gehandelt werden, mahnt Perot. Seine Problemanalysen sind zwar zutreffend — seine Hauptsorge gilt etwa dem US- Schuldenberg von drei Billionen Dollar —, die Reformvorschläge bleiben aber meist vage, Details will er erst nach dem Wahlsieg liefern. Perot ist politisch schwer einzuordnen, ein Super-Patriot, der den Golfkrieg entschieden ablehnte, ein Konservativer, der Abtreibung befürwortet, unkonventionell in seiner Forderung, dem Bund die Steuerhoheit abzunehmen.

Seinen eigenen Betrieb hat er mit eiserner Hand geführt, Widerspruch nicht geduldet. Als Präsident wäre er kaum in der Lage, so selbstherrlich zu schalten und zu walten. Aber soweit wird er sowieso nicht kommen. Schließlich ist das amerikanische Wahlsystem so gestrickt, daß noch keinem unabhängigen Kandidaten der Einzug ins Weiße Haus gelungen ist. Der letzte, der es versucht hat, war 1980 John Anderson. Sein mageres Ergebnis von 6,6 Prozent war aber auch eine Folge seiner zu dünnen Finanzdecke. Das Problem wird Ross Perot zumindest nicht haben, er würde bis zu 100 Millionen Dollar aus eigener Tasche in sein neuestes Abenteuer investieren. Weit mehr als seine Konkurrenten, die öffentliche Gelder kassieren und deshalb an Limits gebunden sind. Und wenn ihm das schon nicht zur Präsidentschaft verhilft, wird es ihm damit zumindest leichter fallen, sowohl George Bush als auch dem demokratischen Kandidaten Stimmen abzujagen. Für Bush, der in der Wählergunst tief gesunken ist, könnte das gefährlich werden.