Sozialhilfeempfänger um Millionen betrogen

Düsseldorf (taz) — Mindestens 14.878 nordrhein-westfälischen Sozialhilfeempfängern wurde im vergangen Jahr ihre Sozialhilfe rechtswidrig gekürzt. Das geht aus einer Umfrage des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums hervor, die nach einer kleinen Anfrage der Grünen in Auftrag gegeben worden war. Sozialminister Hermann Heinemann bestätigte gestern während einer aktuellen Stunde im Düsseldorfer Parlament die rechtswidrige Praxis. Insgesamt sei es bei 4,18 Prozent der 356.252 Leistungsberechtigen im vergangenen Jahr zu „unzulässigen Einbehaltungen“ gekommen. Nach Berechnungen des sozialpolitischen Sprechers der Grünen, Daniel Kreutz, sind die Ärmsten der Armen durch diese Kürzungen in NRW seit 1986 um rund 30,8 Millionen DM geprellt worden. Das Geld ist für die meisten wohl endgültig futsch, denn Rückzahlungen der illegalen Abzüge, die sich im Durchschnitt auf 50 DM im Monat belaufen, wird es nur geben, wenn die Betroffenen rechtzeitig Widerspruch eingelegt haben. Als Vorwand für die „ratenweise Einbehaltung“ diente den Sozialämtern die Aufrechnung geleisteter Vorschüsse ebenso wie die Abtragung von Schulden gegenüber Dritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 1980 in einem Grundsatzurteil festgestellt, daß solche Kürzungen in der Regel unzulässig sind, weil sie dem Badarfsdeckungsprinzig der Sozialhilfe widersprechen. Die Grünen forderten die Landesregierung gestern auf, sich „mit Nachdruck“ dafür einzusetzen, daß die zu Unrecht einbehaltenen Beträge den Geschädigten nachgezahlt werden. Wer jetzt nicht handele, so Kreutz wörtlich, „macht sich der Beihilfe zur organisierten Rechtsbeugung zu Lasten der Armen in diesem Land schuldig“. Sozialminister Heinemann versprach in seiner Rede, „alle Möglichkeiten“ auszuschöpfen, die Städte als Träger der Sozialhilfe „zu einer rechtlich einwandfreien Verfahrensweise anzuhalten“. Welche kommunalaufsichtlichen Instrumente die Landesregierung einzusetzen gedenkt, ließ der Minister offen. Wegen der kommunalen Zuständigkeit könne er „nicht direkt Einfluß nehmen oder Weisungen erteilen“. Walter Jakobs