Ermittlungen gegen Ex-Ministerpräsident

■ Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen Anhalt, Gies, wegen Verdacht der Nötigung von Verfassungsorganen/ Abgeordnete zum Rückzug gezwungen?

Magdeburg/Karlsruhe (taz) — Seinen Sessel als Ministerpräsident verlor er schon im Sommer, jetzt muß Gerd Gies, Ex-Regierungschef von Sachsen-Anhalt, womöglich bald auf der Anklagebank Platz nehmen. Die Bundesanwaltschaft hat gestern ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung von Verfassungsorganen gegen Gies eingeleitet. Gies werde verdächtigt, „Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt in strafrechtlich relevanter Weise zum Mandatsverzicht genötigt“ zu haben.

Hintergrund der ganzen Angelegenheit: Gies war zwar als Spitzenkandidat seiner CDU in den Landtagswahlkampf gezogen, aber ohne eigenen Wahlkreis. Die Christdemokraten waren aber bei der Landtagswahl so erfolgreich, daß sie 48 von 49 Wahlkreisen direkt gewannen. Ausgerechnet der Ministerpräsident ohne Landtagsmandat, das gab nach Ansicht vieler Christdemokraten ein schlechtes Bild ab. In den Wochen nach den Wahlen kamen gegen mehrere Mitglieder der CDU-Fraktion dubiose Gerüchte über eine Stasi- Vergangenheit auf. Drei warfen entnervt das Handtuch, neben Gies rückten sein inzwischen gleichfalls geschaßter Innenminister Braun und der CDU-Mann Geisthardt in den Landtag ein. Die drei waren nicht die einzigen, die von Gies bedrängt worden waren. Mindestens sieben Abgeordnete beklagten derartige Nötigungsversuche. Über dieser Affäre mußte Gies zurücktreten.

Schon seit einem halben Jahr versucht die Bundesanwaltschaft, Licht in das Dunkel dieser Sache zu bringen. Im Sommer schrieben die Bundesanwälte den Sachsen-Anhaltiner Landeswahlleiter Thorsten Gruß an und baten um Auskunft, ob die von Gies bedrängten Angeordneten ihr Landtagsmandat denn schon angenommen hatten. Damit steht und fällt das Ermittlungsverfahren, denn nur mit der Annahme ihres Mandats werden normale Menschen zu Verfassungsorganen. Gruß gab die Anfrage an die zuständigen Kreiswahlleiter weiter, aber die ließen sich mit der Beantwortung der Fragen aus Karlsruhe offenbar bis jetzt Zeit. Eberhard Löblich