: Newroz-Geld aufgetaucht
■ Polizei soll 4.000 Mark ohne Quittung beschlagnahmt haben
„Wir beteiligen uns nicht an der Vorverurteilung eines ganzen Polizeireviers mit 70 Beschäftigten“, erklärte gestern Claus Dittbrenner für die SPD-Fraktion. Zusammen mit seiner Stellvertreterin Marlies Marken und Carl Heinz Schmurr hatte Dittbrenner das 3. Revier in Peterswerder besucht, das Afrikaner mißhandelt und geschlagen haben soll. „Derartige Anschuldigungen treffen nicht nur die Beamten in dem Revier, sondern belasten auch ihre Ehepartner und Kinder“, erklärte Marlies Marken, selbst mit einem Polizisten verheiratet.
Der Dachverband der Ausländerkulturvereine in Bremen (DAB) forderte die Polizeibeamten unterdessen auf, differenzierter vorzugehen. „Wenn sie sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen fühlen, dürfen sie auch nicht eingesetzt werden“, betonte der DAB. Innensenator Friedrich van Nispen solle dafür Sorge tragen, daß seine Beamten „rechtmäßig“ vorgehen.
Polizeipräsident Rolf Lüken hatte in seiner Pressekonferenz am Donnerstag betont, daß er die Vorwürfe lückenlos aufklären will, zur Zeit aber mit aller Entschiedenheit zurückweise: Seine bisherigen Ermittlungen ließen ihn sicher sein, daß „die ungeheuerlichen Anschuldigen haltlos sind.“
So hatte Lüken die Glaubhaftigkeit des türkischen „Monitor“- Zeugen Hassan T. damit erschüttert, daß er bei der Staatsanwaltschaft als „einer von vier Tatverdächtigen“ (Lüken: „nicht als Täter“) in einem Rauschgiftverfahren angezeigt worden sei. Die Fakten laut Polizeiprotokoll: 1,35 Kilogramm Heroin, 9 Kilo Manit (Streckmittel für Heroin), 5,8 Kilo Kokain und eine Schußwaffe. Sie wurden „in einem Nebenraum“ sichergestellt. Damit wird suggeriert: Hassan T. gehört zur Dealerszene.
Dabei hatte der Kurde in „Monitor“ versichert: „Ich habe mit Drogen nichts zu tun.“ Daß der von Lüken zitierte Nebenraum zwar im selben Haus, aber in einer völlig anderen Wohnung liegt, hatte der Polizeipräsident nicht berichtet.
Hassan T. war von Polizisten des 3. Reviers in seiner Wohnung überrumpelt und mit Handschellen gefesselt worden. Am Boden liegend sei er auch noch getreten worden, berichtete er. Von den Handfesseln hatte er noch eine Woche später blaue Handgelenke. Dies bestätigt auch der Rechtsanwalt von Hassan T. und erzählt weitere Einzelheiten, die der Polizeipräsident ebenfalls nicht erwähnte:
4.000 Mark, eine Sammlung für das Newroz-Fest, waren seinem Mandanten von der Polizei abgenommen worden — ohne Quittung oder Bestätigung. Obwohl der Vorfall schon Wochen zurückliegt, hat der Rechtsanwalt noch keine Akteneinsicht erhalten, hat er das Geld für seinen Mandanten noch nicht zurückbekommen. „Mittlerweile ist immerhin ein Geldbetrag in annähernd dieser Höhe aufgetaucht“, hofft der Anwalt, das Geld zurückzukriegen. Bisher sei das Geld seinem Mandanten aber nicht zugeordnet worden.
In den Vorwürfen war es häufiger um Geld gegangen. Ein Afrikaner hatte behauptet, daß er auf dem 3. Revier etliche seiner Geldscheine in ein „Sparschiff“ zur Rettung Schiffbrüchiger habe stecken müssen. Ob dies polizeilich überprüft wurde, wiegelte der Polizeipräsident ab: Er könne das Mißtrauen gegen seine Beamten auch zu weit treiben. ra
P.S. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen hätte eine Ermittlung sicher gut vertragen.
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