War Momper der Mörder?

■ Ex-Senatorin Riedmüller schrieb einen »Berlin-Krimi« und traute sich nicht, daraus zu lesen

Wenn gescheiterte PolitikerInnen nicht mehr weiter wissen, dann schreiben sie in aller Regel ein Buch. Während männliche Volksvertreter den Verlagen stets ihre langweiligen Memoiren aufdrängen, versuchte sich die frühere Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller an einem Kriminalroman. Ihren Berlin-Krimi, so der originelle Titel des Erstlingswerks, wollte die von der Großen Koalition um Macht und Einfluß gebrachte SPD-Hinterbänklerin am Dienstag in der Herder-Buchhandlung vorstellen.

»Es ist etwas anderes, einen Roman zu schreiben, als eine wissenschaftliche Arbeit«, erläuterte die promovierte Politologin den Journalisten. Besonders schwer sei ihr die wörtliche Rede gefallen. Doch das Genre Krimi habe sie sich »bewußt ausgesucht«. Einerseits lese sie selbst gern Detektivgeschichten, anderseits habe sie den Wunsch verspürt, die deutsche Einheit literarisch und ironisch zu verarbeiten. Riedmüller kündigte an, daß in ihrem Krimi auch rot-grüne Senatskollegen auftauchten, enttäuschte jedoch sogleich mit dem Nachschub, daß Walter Momper nicht der Mörder sei. »Beim Schreiben bin ich wohl sehr laienhaft vorgegangen«, beendete die Autorin ihre Einführung und bat die Journalisten in diesem Sinne, nun Fragen zu stellen.

Ob sie vielleicht angesichts der Buchpremiere die Güte hätte, ausnahmsweise ein Kapitelchen vorzulesen, fragten die Pressemenschen höflich an. Frau Riedmüller lehnte ab: »Ich möchte niemandem die Spannung nehmen.« Nachdem sich die Ex-Senatorin auch nicht in der Lage sah, den Inhalt ihres Romans kurz zusammenzufassen, flehten die O-Ton-geilen Rundfunkjournalisten sie an, doch wenigstens die erste Seite vorzutragen. Vergebens. Barbara Riedmüller erklärte, dazu »so spontan keine Lust« zu haben. Daß die Buchpremiere damit schon nach dreißig Minuten beendet war, bedeutete für die geplagten Journalisten wieder einmal Überstunden. Um über Riedmüllers Krimi zu schreiben, mußten sie das Werk nun zu Hause lesen.

Die Story beginnt — womit auch sonst? — mit der Öffnung des Brandenburger Tors. Mit Hinweis auf die »historische Bedeutung«, freiheitsliebende Menschen und einen roten Schal läßt Riedmüller schon im ersten Kapitel kein Klischee aus. Stilistisch gibt sich der Roman so aufregend wie der Besinnungsaufsatz eines neunjährigen Klippschülers. Brav reihte die Autorin einen Hauptsatz an den anderen, ohne jemals das bewährte Satzschema Subjekt-Prädikat-Objekt aufzugeben. Als ich nach 23 Seiten darüber eingenickt war (ein Kollege einer öffentlich- rechtlichen Anstalt schlummerte schon bei Seite 19), hatte ich Riedmüllers Allüren aber verstanden: Aus diesem Krimi hätte ich »so spontan« auch nichts vorlesen wollen. Micha Schulze

Barbara Riedmüller: Berlin- Krimi , Morgenbuch-Verlag, Berlin 1992, 29,80 DM