Welt heil, Dach runter, Rad ab

■ Offen für offene Autos: die neue Special-Interest-Zeitschrift 'Cabrio‘

Das hatte uns gerade noch gefehlt! Der Vater aller Special-Interest- Magazine, Ulrich Stanciu (44), ist mit einem weiteren Medienkind niedergekommen. 'Cabrio‘ heißt das liebe Kleine, das Anfang April mit roten Scheinwerferäuglein das Licht der Welt erblickte. 118 Hochglanzseiten Blech.

Nun wäre eine neue Auto- oder Motorzeitschrift an sich keinen taz- Artikel wert. Aber die Produkte des Herrn Stanciu, seines Zeichens Chefredakteur im Delius-Klasen- Verlag und vormals langjähriger Redakteur bei der 'ADAC-Motorwelt‘, verdienen doch einen schärferen Blick. Aus der Hand des gleichen Steuermanns stammen nämlich bereits die schnittigen Printerzeugnisse 'Yacht‘, 'Surf‘ und 'bike‘.

Alle sind sie nach dem gleichen Muster gestrickt: Am Anfang, im Mittelpunkt und am Ende steht das Produkt. Bunte Kataloge eben, im wesentlichen der verlängerte Arme der Industrie. Den Lesern präsentieren sie sich als Ratgeber in Lifestylefragen und Konsumnöten, garniert mit appetitanregenden Bildern — schneller, höher, weiter — Leistungstabellen und sogenannten Warentests. Vor allem aber stilisieren sie das Selbstbild der Leser, das vorher von Marktforschungsinstituten genau analysiert wurde. „Nur die Cabrios heben sich wohltuend vom Einheitsbrei ab“, zitiert die Zeitschrift einen ihrer potentiellen Käufer. Ein Junglenker aus Gräfelfing bringt es auf den Punkt: „In meinem Cabrio bin ich Fahrer, Kapitän, Pilot.“ Manta fahren kann schließlich jeder. Und die Elite schwebt überm Chaos: „Nach vielen bedrückenden Erfahrungen im Massenverkehr wächst die Sehnsucht nach der ursprünglichen automobilen Erfahrung“, heißt es im Editorial — als ob Autos ohne Dach keine Staus verursachen.

'Cabrio‘ und Co. haben vor allem eine Funktion: ein Image zu vollenden, das die Industrie für ihre Produkte aufbaut. So werden zum Beispiel in dem Artikel „Tolle Perspektiven — Über die Hintergründe des Cabrio-Trends“ in der ersten Nummer ausschließlich der Vertriebschef von Mercedes und Marketingexperten von BMW, Opel und VW zitiert. Das Gefasel der Automanager faßt 'Cabrio‘ dann in der Frage zusammen: „Was symbolisiert die Grenzenlosigkeit besser als das in Richtung Himmel offene Auto?“ Denn: „Wenn der 29jährige Jurist im mitternachtsblauen Oben-ohne-BMW durch die schier endlosen Obstplantagen des Alten Landes gleitet, fühlt er sich fast in die Zeit der Kutschen und Droschken zurückversetzt.“

Chefredakteur Stanciu überläßt nichts dem Zufall, und schon gar nicht überläßt er seine Leser der bösen Wirklichkeit. Heile, heile Welt, und der Markenname ist immer lesbar. Henrike Thomsen