KOMMENTAR
: Gefährlichen Abfluß verstopfen

■ Europas größte Giftmülldeponie Schönberg muß geschlossen werden

Vor der angeblich „besten Deponie“ der alten DDR in Schönberg stauen sich dieser Tage kilometerlang die Laster. Grund: Das Umweltministerium von Mecklenburg-Vorpommern als Genehmigungsbehörde für die größte Giftmüllkippe Europas läßt Dienst nach Vorschrift schieben. Jeder Giftmüllaster wird auf seine Ladung kontrolliert, Analysen von Tausenden Tonnen Abfall täglich angefertigt. Doch die Aktion, mit der die Ministerin der Öffentlichkeit offenbar zeigen will, daß sie umweltpolitisch Frau der Lage ist, geht am Ziel vorbei.

Ziel muß nach den neuesten Enthüllungen nämlich die Schließung der Deponie kaum zehn Kilometer von Lübeck sein. Die jetzt öffentlich gewordenen Daten zeigen, daß die Deponie nach unten leckt und oben giftige Brühe in benachbarte Bäche abfließen ließ. Selbst das Ministerium in Schwerin gesteht inzwischen ein, daß ohne zusätzliche Untersuchungen eine Gefährdung des Lübecker Trinkwassers nicht ausgeschlossen werden kann.

Auf was wartet die Ministerin denn noch? Wenn eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, ist sie verpflichtet, die Kippe zu schließen. Die Verteidigungslinie der Deponielobby ist ebenso alt wie unverantwortlich: Eine akute Gefährdung sei nicht nachzuweisen. Kunststück, wenn man nicht richtig sucht, zufällig auftauchende Hinweise in Aktenbergen versteckt und ungeprüft Generalgenehmigungen erteilt. Doch verantwortlich sind nicht nur böse oder inkompetente OstlerInnen. Die westlichen Bundesländer spielen in Sachen Schönberg ein doppeltes Spiel. Sie sind es, die den Löwenanteil der 1,1 Millionen Tonnen Müll dorthin karren. Allen voran die Hamburger, aber auch das rot-grün regierte Niedersachen und Hessen. Seit neuestem läßt sogar die Wohlstandskommune Starnberg ihren Müll per Lastwagen 700 Kilometer weit in Schönberg entsorgen.

Die Kieler SPD-Landesregierung läßt schon seit Jahren kaum noch schleswig-holsteinischen Müll nach Schönberg. So weit, so gut. Doch die Kieler Genossen wollten offenbar ihren Hamburger Parteifreunden nicht den Müllweg verstopfen. Wie anders ist es zu erklären, daß brisante Daten in den Akten des Landesamtes für Wasser und Küsten untergehen und alte Erkenntnisse, die die Sicherheit der Deponie in Frage stellen, der Bevölkerung vorenthalten werden? Das ging gut, solange die Deponie hinter dem Stacheldrahtzaun lag. Doch mit dem Fall der Mauer kam die Scheiße hoch. Da hilft kein Abflußfrei. Hermann-Josef Tenhagen