Filetstücke gehen unter der Hand weg

Der Verband deutscher Makler fordert auf seiner Verbandstagung den Rückzug des Staates aus dem Wohnungs- und Immobilienmarkt/ Wer durch die Maschen fällt, soll mehr Wohngeld erhalten  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Was tun gegen die Wohnungsmisere? Der Verband deutscher Makler (VDM) hat für den fehlenden Wohnungsbedarf den Staat als Schuldigen ausgemacht. VDM-Vizepräsident Erich Hildenbrandt ist davon überzeugt, daß es ein Segen für alle Beteiligten wäre, wenn der Staat endlich die Finger vom Wohnungs- und Immobilienmarkt lassen würde — auch vom sozialen Wohnungsbau. Denn mit der verwirrenden Gesetzgebung und seiner Fixierung auf Steuervergünstigungen für Eigenheimbesitzer habe die Bonner Regierung potentielle Kunden der Branche nur abgeschreckt. „Es gibt unglaublich viele Leute, die sich Immobilieneigentum leisten könnten", hat Hildenbrandt erkannt, „doch die wachsende Unsicherheit über die langfristige Gültigkeit von Fördermaßnahmen oder die Entwicklung im Steuerrecht hat dazu geführt, daß die gutverdienenden Mittelschichtler von ihrem Geld lieber festverzinsliche Wertpapiere kaufen.“ So müßten etwa Singles darauf achten, daß ihr Jahreseinkommen 120.000 Mark nicht übersteige, wenn sie die Vorteile der 10e-Abschreibung nutzen wollten.

Weil die Branche bei den jungen Aufsteigern gerne den monetären Rahm abschöpfen möchte, soll die Politik endlich den Weg für eine tatsächlich freie Immobilien-Marktwirtschaft ebnen. Die Objekte seien da, sagen die Makler, selbst in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main- Gebiet. Daß der durchschnittliche Zeitungsleser dagegen eher den Eindruck gewinnt, daß die Branche händeringend nach Objekten sucht, darin sieht die Branche keinen Widerspruch: Die bezahlbaren „Filetstücke“ werden nämlich nicht über Zeitungsanzeigen verdealt, sondern von den Maklerbüros „unter der Hand“ an solvente Interessenten vergeben. Der Feststellung, daß der Markt nur ein Scheinmarkt sei, wollte Hildenbrand nicht widersprechen. Ein knappes Angebot sorgt schließlich für ein hohes Preisniveau— und für hohe Provisionen in den Taschen der Makler. Und daß das geforderte freie Floaten der Mieten auch bei Sozialwohnungen für einen weiteren Preisschub sorgen wird, läßt die Wohnraumdealer frohlocken: „Der Immobilienmarkt wird eine Wachstumsbranche bleiben.“ Allein bei den Mieten erwartet der VDM für die nächsten zehn Jahre eine 60-prozentige Verteuerung.

Für alle Menschen, die durch das Raster des freien Marktes fallen, schlagen daher die Makler vor, müsse der Staat mit einer „subjektiven Förderung“ sorgen. Wer auf dem freien Wohnungsmarkt nicht bestehen könne, dem müsse mit höherem Wohngeld geholfen werden.

Wie sich der Wohnungs- und Immobilienmarkt im Rhein-Main-Gebiet darstellt, erklärte Hessens VDM-Landesverbandsprecher Hofer: Wer etwa eine Dreizimmerwohnung unter 1.000 Mark haben wolle, müsse schon nach Frankenberg in Mittelhessen ziehen. Lapidar stellte Hofer fest, daß „für bestimmte Lagen und entsprechenden Komfort“ in Frankfurt auch 60 Mark pro Quadratmeter gezahlt würden.