Sie nennen ihn Drulakinski

■ Der torhungrige Radek Drulak treibt den VfB Oldenburg von Erfolg zu Erfolg

Seit Samstag sind die Zweitliga- Kicker vom VfB Oldenburg endgültig die Fußball-Könige zwischen Weser und Ems. Vor 10.000 Zuschauern besiegten sie den ewigen Rivalen SV Meppen mit 1:0. Den Treffer erzielte Mathias Jack schon in der dritten Minute auf eine Vorlage jenes Mannes, der sonst beim VfB für die Tore zuständig ist: Radek Drulak, tschechischer Stürmer mit eindrucksvoller Bilanz. In dieser Saison hat er schon siebzehnmal getroffen und ist damit, wie die Oldenburger stolz verkünden, der beste Schütze unter allen Profikickern im Land.

Daß sich eine solche Perle überhaupt in die Zweite Liga verirren konnte, ist den guten Kontakten von VfB-Manager Rudi Assauer geschuldet. Als die Oldenburger im Herbst 90 einen starken Offensivmann brauchten, entsann sich Assauer seines tschechischen Freundes Pavel Macak ehemals Torwart bei Schalke 04. Macak empfahl einen Mann namens Radek Drulak, Goalgetter beim CSFR-Club Sigma Olmütz. Assauer verhandelte, kurz darauf übersiedelte Familie Drulak nach Oldenburg. Seither wirbelt auch in der D-Jugend des Vereins ein Radek Drulak — des Seniors elf

hierhin bitte den

Fußballer im Trikot

Radek DrulakFoto: Rudi Hagen

jähriger Sproß.

Ein doppelter Glücksgriff: Während der Kleine bereits die Torschützenliste beim Nachwuchs anführt, bewahrte der Große seinen Verein in der letzten Saison mit zehn Treffern vorm Abstieg: Drulak kam und traf, der VfB siegte.

In diesem Jahr ist das nicht anders: Wenngleich sich Assauer auch müht, den Erfolg des Teams paritätisch aufzuteilen („Abwehr und Mittelfeld sind genauso wichtig wie Radek im Sturm“) — ohne

Drulak stünde der VfB nicht annähernd da, wohin er mit ihm gelangt ist: Auf Platz 3 in der Meisterrunde, ungeschlagen in den Play-Offs. Sogar vom Aufstieg träumt mancher Fan.

Drulaks Spiel war dabei mitunter so filigran, daß selbst die Oldenburger Nordwest-Zeitung ins Schwärmen geriet: „Er vermittelt den Zuschauern das Gefühl, daß Fußball ein herrliches Spiel ist.“ Da verzeihen ihm die Fans, die ihr Idol ehrfürchtig „Drulakinski“ nemnen, auch mal ein schwächeres Spiel wie das gegen Meppen. Ein Genie braucht halt schöpferische Pausen.

Die große Karriere ist Drulak wegen der politischen Umstände versagt geblieben. Schon vor sechs Jahren hatten ihn italienische Vereine gelockt; die CSSR- Offiziellen erlaubten aber keinem Kicker unter 28 Jahren ein Engagement im Westen.

Inzwischen ist Drulak dreißig, und seine Tore haben ihn für Clubs in der Ersten Liga interessant gemacht. Die Anhängerschaft der Oldenburger fragt sich deshalb bang, wie lange es den Ballkünstler noch beim VfB halten wird. Zwar hat ihm der gewiefte Manager erst kürzlich einen Vertrag bis 1994 aufs Auge gedrückt, „weshalb sich die Wechselfrage für mich nicht mehr stellt“ (Assauer). Für Drulak selbst indes — „Die Bundesliga ist natürlich ein Traum“ — hat sich die Sache damit nicht erledigt. Auf die Frage, wie es denn nun weitergehen soll mit ihm und dem VfB, antwortet er: „Ich weiß es nicht.“

Und das — die Vergangenheit hat es in anderen Fällen gezeigt — ist meist nur eine schonende Umschreibung für: „Auf Wiedersehen!“ Holger Gertz