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Intelligenztest: „Pferde Federn haben alle“

■ Wie frau herausfindet, ob sie intelligenter ist als 98 Prozent der Menschheit

Pferde Federn haben alle. Diese wenngleich etwas verquere Aussage ist: falsch. Richtig.

Mit Lösungen dieser Güte durften sich noch während des ersten Weltkriegs die Rekruten für die amerikanische Army qualifizieren.

Ganz so einfach macht es „Mensa“, der Club der Menschen mit einem Intelligenzquotienten (IQ) von über 130, seinen BewerberInnen allerdings nicht. Einen dreistündigen Denkmarathon galt es gestern im „Scandic Crown“- Hotel zu überstehen, um zu erfahren: Gehöre ich zu den hyper-intelligenten zwei Prozent der Bevölkerung oder nicht?

Sonntag morgen, zehn Uhr. Wenn es eine Zeit gibt, in der sich die Intelligenz bis in den Blinddarm verzieht, dann diese. Doch ganze 45 BremerInnen („So viele wie nie“, sagen die Testleiter) haben sich nicht abschrecken lassen und zum „Mensa“-Test versammelt — mit dem festen Willen, drei Stunden lang Bilder zu ordnen, Zahlen zu ergänzen, Worte zu merken — kurz: die Köpfe rauchen zu lassen.

Los geht's — zum Aufwärmen mit einem kulturfreien Test. „Den können auch Leute machen, die weder lesen noch schreiben können“, erklärt „Mensa“-Mitglied Erika Wendelken, damit niemand auf die Idee kommt, es ginge kulturlos zu. Unmengen von Punkten, Kreisen, Strichen und Kästen wollen analysiert, in Verbindung gebracht, ergänzt und sonstwas werden: 45 Aufgaben, 30 Minuten Zeit. Brav lösen alle gemeinsam drei Beispiele, und ab die Post. Die Testpersonen beugen sich über ihre Zettel, außer eifrigem Gekritzel ist kein Laut zu hören. So still ist es selbst bei Abitur-Klausuren nicht.

O Schreck, da sind sie, die schon immer gehaßten, harmlos scheinenden Textaufgaben: Zwei Schwestern sind zusammen 39 Jahre alt; zwischen ihnen liegt ein Altersunterschied von sieben Jahren. Wie alt ist die jüngere? Eine ganze Latte solcher Aufgaben gilt es in Rekordzeit zu lösen — die Autorin sieht soeben ihren IQ weit unter den Durchschnitt rasseln. Die Antworten werden auf standardisierten Lösungsbögen, computerlesbar, eingetragen.

Als nächstes: Wortergänzungen, Oberbegriffe. Darf frau jetzt darüber nachdenken, ob ein Vater grundsätzlich, zumeist oder immer erfahrener als der Sohn ist? Was sagt das Leben dazu? Kommt ja immer drauf an, was mensch daraus macht, und mit dem Alter ist das sowieso immer so eine Sache... Weiter jetzt, für sowas ist keine Zeit. Denn für jede Aufgabe gibt es Limits, nach deren Ablauf Erika Wendelken freundlich darauf hinweist: „Jetzt bitte nicht mehr weiterschreiben.“ Und schon wird die nächste Testmappe ausgeteilt, nach dem „Figuren-Intelligenz-Test nach J. C. Daniels“ das „Callel-Weiß-Testheft CFT 3, Skala 3“, und dann das Heft vom „Institute of Personality & Ability Testing, Illinois“, undundund.

Endlich geschafft. Alle haben durchgehalten. Bis das Ergebnis da ist, werden aber noch zwei Wochen vergehen: Eine Psychologin in Köln wertet die Testbögen aus — und dann bekommen die Probanden persönlich ihren Intelligenzquotienten mittgeteilt. Und die, die über dem IQ 130 liegen, bekommen von „Mensa“ einen Aufnahmeantrag.

„Ich schätze, daß sich von den hier Anwesenden etwa ein Viertel qualifiziert“, sagt Erika Wendelken. „Aber über dem Durchschnitt liegen wahrscheinlich alle.“ Warum? „Weil niemand zwischendurch blöde Fragen gestellt hat!“ Von den 91 Personen, die Wendelken in den letzten vier Jahren in Bremen getestet hat, haben immerhin 46 das Mensa-Level geschafft. „Aber es ist klar: Wessen Lebenserfahrung ist, daß er eher blöd ist, wird nicht zu einem solchen Test kommen.“

Für lauter kleine Einsteins, die sich nur noch mal die Bestätigung für ihre überdurchschnittliche Intelligenz abholen wollen, halten sich die getesteten Bremerinnen allerdings nicht: Viele sind aus Neugier hier, um überhaupt mal ihren IQ feststellen zu lassen. Vom Schlosser über die Industriekauffrau bis zum Studenten und selbständigen Unternehmer ist alles vertreten. „Klar wäre das toll zu wissen, daß man zu den intelligentesten zwei Prozent der Bevölkerung gehört“, sagt ein junger Ingenieur. Aber so richtig scharf darauf zu sein — das gibt zumindest niemand zu.

Daß es allen hoffentlich auch ein bißchen Spaß gemacht hat, hofft die Lehrerin Wendelken zum Abschied. „Aber bitte keine Enttäuschung, wenn Sie's nicht geschafft haben: Ein hoher Intelligenzquotient macht einen schließlich nicht zum wertvolleren Menschen.“

Ich habe die Matheaufgaben quasi schon vergessen. Susanne Kaiser

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