Der Bulle mit dem Geigerzähler

„Die Angst wird bleiben“, 19.20 Uhr, ZDF  ■ Von Manfred Riepe

Da Leukämie ein bei Kindern höchst selten auftretender Blutkrebs ist, wurde in den letzten Jahren immer häufiger über den Zusammenhang dieser Erkrankung mit der Nähe des jeweiligen Wohnorts zu Atomkraftwerken diskutiert. Lange hat es gedauert, bis eine umfassende Studie über diesen Sachverhalt erstellt wurde. Da durch eine „fahrlässige“ Bestätigung dieser Befürchtung die Diskussion über die Akzeptanz von „kerntechnischen Anlagen“ in höchst unliebsame Bahnen hätte gelenkt werden können, ist es nur verständlich, daß man so lange wartete, bis man endlich eine Untersuchungsmethode ausfindig gemacht hatte, welche die Unbedenklichkeit von AKWs neben der Sandkiste bestätigte.

Und so dauerte es bis zum 13. Februar diesen Jahres. Im Auftrag von Umweltminister Töpfer gab Prof. Michaelis, Leiter des Instituts für medizinische Statistik und Dokumentation der Uni Mainz, die Ergebnisse einer solchen Studie bekannt. Im 15-km-Radius um 20 Atomanlagen lagen die Tumorraten sogar niedriger als anderswo. Nur in einem Nebensatz wurde erwähnt, daß im Gegensatz zu herkömmlichen Tumorerkrankungen die Leukämierate siebenfach erhöht ist. Die Schamlosigkeit, mit der insgesamt „keine Auffälligkeiten“ gemeldet wurden, erinnert weniger an einen wissenschaftlichen Bericht als an einen Sketch aus dem fliegenden Zirkus von Monthy Python.

Regisseur Diethard Klante hat das Thema Leukämie/AKW zu einem passablen TV-Film mit einigen interessanten Zwischentönen verarbeitet. Der Polizist Strupp (Heinz Hoenig) ist ein rauhbeiniger, aber herzlicher Kauz im mittleren Alter, ein bißchen obrigkeitshörig, doch nicht restlos bürgerlich angepaßt. Dafür ist sein Lebenswandel zu ungeregelt. Von seiner Frau Karin (Constanze Engelbrecht) geschieden, führt er mit seiner 13jährigen Tochter Lisa (Johanna Klante) einen Haushalt, den jedes Lenor-Gewissen in Panik versetzen würde.

Nachdem Lisa sich schon seit längerem schlapp gefühlt hat, lautet die erschreckende Diagnose: Leukämie. Die Chemotherapie macht aus dem zarten Kind bald eine Art Zombie. Lisas Verdacht, ihre Krankheit habe etwas mit dem nahen AKW zu tun — sowie die wegen Angst vor beruflichen Repressalien zurückgehaltene Studie ihres Stationsarztes Grosse (Horst Günther Marx) — lassen Strupps graue Zellen arbeiten. Der Mann greift zum Buch, informiert sich, stellt unliebsame Fragen und bewaffnet sich unbefugt mit einem Geigerzähler. Nachdem er in Wildwest-Manier tatsächlich einen strahlenden Transporter sichergestellt hat, entpuppt sich ausgerechnet sein bester Freund und Vorgesetzter Werner (Gunter Berger) als zwielichtige Figur, die womöglich mit der Atomlobby liiert ist.

Dem Regisseur lag jedoch nichts an einem Reiner-Erler-mäßigen Atomthriller. Es geht nicht um die spektakuläre Geißelung „der Bösen“ aus Industrie und Behörden. Heinz Hoenig als zum kritischen Polizisten reifender Strupp ist ein angenehm zurückhaltend inszenierter Charakter, dessen Sinneswandel glaubhaft rüberkommt. Die Figuren sind teilweise an reale Vorbilder angelehnt. Unterstützt wurde Regisseur Klante bei Recherchen und Dreharbeiten von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen.

Gewartet hat übrigens auch das ZDF. Nämlich mit der Ausstrahlung des Films bis zum Montag nach den schleswig-holsteinischen Landtagswahlen. Wegen des Vorbilds Krümmel.