Das Positivste am Positiven

Der verkaufsstrategisch geschulte Bayern-Trainer Erich Ribbeck plädierte nach dem 4:2 seiner Münchner bei den Stuttgarter Kickers für eine verbraucherfreundlichere Sicht der Dinge  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Irgendwann, mitten im schönsten Gefrage, hatte Erich Ribbeck genug. „Mir fällt gerade auf“, rügte der als harmoniebedürftig geltende Sympathieträger die allzu inquisitorisch auftretenden Medienvertreter: „Es ist noch keine Frage gestellt worden, die positiv war!“ Schließlich, so der Verstimmte, habe man just einem Spiel beigewohnt „mit sechs Toren, Dramatik und Strafraumszenen.“ Kurz: „Es war ein wunderbares Spiel.“ Und was haben die Besserwisser von der Blablazunft im Kopf? Nichts als Fragen nach den Fehlern eines Thomas Berthold, den Versäumnissen der Stuttgarter Manndecker! Für Ribbeck eine unrichtige Arbeits- und Vorgehensweise. „Man sollte“, so der erprobte Verkaufsstratege, „das Spiel mal unter positiven Aspekten erarbeiten und auslegen.“

Wohl denn: Bitte schön, Herr Ribbeck. Es muß also als höchst positiv eingeschätzt werden, daß bereits nach acht Minuten der Bayer Kreuzer den Ball im eigenen Strafraum mit der Hand zu Schwabl spielte, welcher so behende zum Stuttgarter Moutas weiterleitete, daß das 1:0 unumgänglich war. Sehenswert war auch die Einlage der Kickers-Recken Novodomsky und Ritter, die bei Effenbergs zugegebenermaßen recht genialem Paß erstens falsch liefen und zweitens dann auch noch zusammenrasselten, so daß Wohlfarth relativ alleingelassen einschießen konnte. Bemerkenswert war auch, wie Kickers-Libero Keim kurz vor der Pause eher unbedrängt den Ball vor die Füße des unter einer Tarnkappe verborgenen Olaf Thon köpfelte, so daß Mazinho nach dessen Paß zum 2:1 einlupfen konnte.

Dramatik kam dann im höchsten Maße auf, als Thomas Berthold seinerseits ohne allzu große oder eigentlich in überhaupt keiner Not den Ball Richtung eigenes Tor zum eingewechselten Kickers-Kula zirkelte, und erst recht, als Ritter und Keim beide auf Mazinho losstürmten, so daß dem nichts übrig blieb, als auf den nun allein herumstehenden Labbadia zu passen, jenem aber der Ball so unglücklich an das Wadenbein sprang, daß er genau im Torwinkel landete. Vollends wunderbar wurde es, als selbst Michael Sternkopf durch die Kickers-Abwehr marschieren durfte, Ritter verlud und mit links genau neben den Pfosten traf. Der positive Ribbeck: „Ich würde mir wünschen, daß öfters so risikoreich gespielt würde.“

Nicht gänzlich unerwartet mochte Kickers-Trainer Rainer Zobel das Ganze so positiv nicht sehen, denn Torraumszenen hin, Dramatik her, am Gesichtsausdruck seines apathischen Präsidenten Dünnwald-Metzler konnte er ablesen, daß nach einigen „individuellen Fehlern“, die die Bayern bestraft hätten, nun die trostlose Zweite Liga nur mehr einen Fehlpaß entfernt ist.

Glücklicherweise hatte Erich Ribbeck auch für ihn gute Neuigkeiten. Allemal anerkennenswert sei es, „mit welchem Mut“ die Stuttgarter gespielt hätten. Und dazu noch mit drei Spitzen! Wer, so Ribbeck, wage solches heutzutage noch? Nun, wollte man eine negative Einstellung an den Tag legen, müßte man antworten, keiner eigentlich, seit sich in der Branche herumgesprochen hat, daß man solcherart zu allem möglichen kommen mag, aber unter keinen Umständen zu Punkten. Und Punkte, wie der Fußballweise schließlich eher beiläufig selbst andeutete, seien „auf der anderen Seite natürlich auch“, das eine, was in erster Linie zähle.

Da war es doppelt positiv für die Bayern, daß eben sie jene hatten, weil sie „reifer und cleverer waren“, wie Zobel vermutete, was stimmte, aber nicht bedeutete, daß sie reif und clever gewesen wären. „Wir haben dumme Fehler gemacht“, stimmte schließlich auch Erich Ribbeck zu, von dem man vermuten darf, daß er mehr weiß, als er zugeben wollte. Jedenfalls machten die Bayern weniger als die Blauen und addierten sich die Defizite wirklich zu einem recht unterhaltsamen Nachmittag, an dem es hin wie her ging, daß dem braven Manni Schwabl ganz schwindlig wurde. „Es war doch so, daß wir sechs Tore geschossen haben“, vermutete der hernach und bestätigte des Trainers Analyse, daß seine Leute vom eigenen Tabellenplatz völlig verwirrt würden.

Positiv sehen! Manni hatte schnell kapiert: „Do muaßt durch“, gab er die neue Parole aus. Daß sechs oder mehr Bayern immer noch eher daneben liegen? Positiv sehen! Mit Effenberg, Mazinho und Populist Labbadia hat Ribbeck zumindest drei, auf die er bauen kann. Daß Jorginho möglicherweise nicht kommt und Effenberg dafür geht? Positiv sehen! Bleibt dem Verein einige Unruhe erspart. Daß sich Berthold und Thon verletzt haben? Positiv sehen!

Und was ist das Positivste an dem ganzen Positiven, Uli Hoeneß? „Daß wir endlich auch mal wieder Glück hatten!“ Und der Vielbeschäftigte erstmal aufhören kann, sich den Kopf über solche Lappalien zu zerbrechen wie das Punktekonto von Dynamo Dresden oder des VfL Bochum. Insgesamt ein bißchen viel des Positiven, Herr Ribbeck? „Ich seh' das anders, aber ich bin ja nur der Trainer.“

Positiv sehen, Herr Ribbeck! Trainer beim FC Bayern mag nicht das Allergrößte sein, dieser Tage, aber es ist doch allemal besser als nichts.

Bayern München: Aumann — Wouters — Berthold (74. Pflügler), Kreuzer — Sternkopf, Schwabl, Effenberg, Thon (50. Labbadia), Münch — Wohlfarth, Mazinho

Zuschauer: 29.000; Tore: 1:0 Moutas (8.), 1:1 Wohlfarth (21.), 1:2 Mazinho (37.), 2:2 Kula, (53.), 2:3 Labbadia (55.), 2:4 Sternkopf (80.)

Stuttgarter Kickers: Reitmaier — Keim — Novodomsky, Ritter — Vollmer (46. Kula), Hofacker, Schwartz (71. Imhof), Wolf, Richter — Moutas, Marin