Kein Konsens vor dem Umweltgipfel in Rio

 ■ Aus Washington M. Sprengel

Statt zu einem reinen Unterschriftenzeremoniell anzureisen, werden die Teilnehmer auf dem UN-Umweltgipfels im Juni in Rio noch einen Berg an Arbeit bewältigen müssen. In den Vorbereitungsgesprächen, die sich zäh über die letzten zwei Jahre hingezogen haben, ist es den mehr als 170 Nationen nicht gelungen, einen Konsens in den zentralen Problemen zu erzielen. Als die Verhandlungspartner in den frühen Morgenstunden des Samstag ihre letzte offizielle Vorbereitungsrunde beendeten, konnten sie der Öffentlichkeit nicht mehr präsentieren als einen Entwurf für eine „Rio-Deklaration zu Umwelt und Entwicklung“. Insgesamt 27 Prinzipien, die den Rahmen für eine künftige umweltverträgliche Entwicklung der Welt stecken sollen, listet dieses ursprünglich als zentrales Dokument von Rio geplante Papier auf.

Im Zentrum steht die Übereinkunft, daß als „unbedingte Notwendigkeit für eine tragbare Entwicklung“ die Armut in der Welt beendet werden muß. Als Durchbruch feierte die Dritte Welt das Eingeständnis der Industrieländer, aufgrund des durch ihre Entwicklung angerichteten Umweltschadens und ihres Reichtums quasi verpflichtet zu sein, dem armen Süden zu einem besseren und umweltverträglichen Lebensstandard zu verhelfen. Der anspruchsvolle Titel Erd-Charta wurde aber vorsichtshalber gestrichen. Denn noch ist unsicher ist, was davon in Rio tatsächlich übrig bleiben und die Zustimmung aller teilnehmenden Staaten finden wird.

Immerhin haben die rund 100 Staats- und Regierungschefs, die sich in der brasilianischen Hauptstadt angesagt haben, ein Papier, unter das sie im Blitzlichtgewitter von mehreren tausend Kameras ihre Unterschrift setzten können. Ob aber die weiteren geplanten Dokumente in den verbleibenden zwei Monaten in eine für alle akzeptable Form gegossen werden können, vermag im Moment niemand zu prophezeien. Die Agenda 21, ein Aktionsprogramm, das auf rund 800 Seiten in groben Zügen die Umweltpolitik bis ins 21. Jahrhundert beschreibt, soll den letzten Schliff erst in Rio erhalten. Differenzen über eine Klimakonvention und eine Konvention über die biologische Artenvielfalt sollen dagegen nach Möglichkeit auf zusätzlichen Treffen im Vorfeld der Konferenz beigelegt werden.

Eine Einigung über die Agenda 21 ist bisher in erster Linie an der Finanzfrage gescheitert. Nach Berechnungen der UN benötigen die Dritte- Welt-Länder, um den darin aufgestellten Richtlinien nachkommen zu können, mindestens weitere 70 Milliarden Dollar Hilfsgelder. 55 Milliarden erhalten sie bereits jetzt von den Industriestaaten. Die „Erste Welt“ scheint aber nicht bereit, mehr als einen geringen Bruchteil der erforderlichen Summe, maximal drei bis fünf Milliarden Dollar, lockerzumachen. Stolperstein in puncto Klimakonvention ist die sture Haltung der USA, die bisher keine Neigung zeigen, wie Europa den Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 einzufrieren.