Viotti geht nach Berlin

■ GMD Marcello Viotti, demnächst Opernchef des Bremer Theaters, ist schon wieder so gut wie weg

Man hat ihm die Krone des Opernchefs noch gar nicht aufgesetzt, da umflattert unser alter Generalmusikdirektor und Schmetterling Marcello Viotti schon wieder ganz andere Blümchen: Im nächsten Jahr wird er an die Deutsche Oper Berlin gehen und dort, als „Erster Gastdirigent“ von höherem Ruhme nippen.

Viotti selber, der im November mit Gastdirigaten in Berlin (Tosca, Don Giovanni) offenbar die entscheidenden Herzen gebrochen hatte, will nur von „Verhandlungen“ sprechen. Alard von Rohr hingegen, Generalsekretär der Deutschen Oper, der für den Intendanten Götz Friedrich diese Verhandlungen führt, hat schon ihr Ende im Blick: Spätestens Ende April soll Viottis neuer Vertrag ratifiziert sein.

Wenn bis dahin nicht die Sterne vom Himmel fallen, wird Viotti im Herbst 1993 der zweite Mann beim „Orchester der Deutschen Oper“ sein, nach dem derzeitigen Chefdirigenten Jorge Lopez Cobos. Schon Anfang März hatte Viotti sowohl Kultursenatorin Helga Trüpel als auch Hansgünther Heyme mit ihrem schweren Los bekannt gemacht.

Viotti steht damit seinem neuen Intendanten Heyme nur noch für die kommende Spielzeit zur Verfügung. Umso teurer ist jetzt guter Rat. Gelernte Opernchefs kriegt man nicht übers Arbeitsamt; in der Regel sind sie überdies auf Jahre hinaus gebunden. Zwar hat Viotti, falls im Herbst '93 noch kein Nachfolger bereitstünde, für eine Übergangszeit seine Mithilfe angeboten, aber selbst ein guter Mensch kann schwerlich von Berlin aus eine

Schwandner: „Es ist kaum möglich, rechtzeitig einen Nachfolger zu finden“

Bremer Oper leiten.

Kulturstaatsrat Gerd Schwandner weiß auch nicht, was sein soll, wenn sich nicht rechtzeitig Abhilfe beschaffen läßt: „Ich kann mich ja nicht selber ans Pult stellen.“ Selbst Heyme, der sich gerne zu allem möglichen erkühnt, dürfte von der Oper einfach zu wenig verstehen. Schwandner wird sich aber ab sofort persönlich um einen Ersatz für Viotti bemühen. Nur hält er es für „ziemlich unmöglich“, schon binnen Jahresfrist jemanden zu finden. „Dem soll es ja auch Spaß machen, nach Bremen zu kommen“, sagt Schwandner, „und ich soll gleichzeitig ehrlich sein.“

Schwandner hat sich aber bereits mit Fachleuten „südlich der Weser“, sagt er, in Verbindung gesetzt, um den knappen „Markt abzutesten“. Ob daraus eine regelrechte Findungskommission erstehen wird, ist noch offen.

Entschieden ist aber offensichtlich bereits, daß Viottis neue Doppelstelle nicht wieder geteilt wird, ehe sie auf den Markt kommt. Zu Zeiten des alten Intendanten Richter, der die Oper noch selber geleitet hatte, war Viotti nur GMD gewesen. Die nachfolgende Generalmusikdirektorin kriegt jetzt aber gleichzeitig auch die Leitung der Oper angeboten: „An eine doppelte Besetzung haben wir noch gar nicht gedacht“, sagt Schwandner, „das wäre auch mit Abstand die teuerste Lösung.“ Manfred Dworschak