Äthiopien

■ betr.: "Die 'Neue Blume' blüht nicht", taz vom 16.3.92, "Zerfallserscheinungen in Äthiopien", taz vom 31.3.92

betr.: „Die ,Neue Blume‘ blüht nicht“ von Gunnar Hasselblatt, taz vom 16.3.92, „Zerfallserscheinungen in Äthiopien“,

taz vom 31.3.92

Eure Berichte über Äthiopien sind leider sehr einseitig von Sympathisanten der OLF geprägt. [...]

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat mit über 80 Völkern und mehr als 70 Sprachen. Die Oromos sind zahlenmäßig die größte aber auch die heterogenste Bevölkerungsgruppe. Sie werden von fünf politischen Parteien vertreten. Viele Gruppen leben verstreut und in friedlicher Nachbarschaft mit anderen Völkern.

Die OLF hat ihr Stammland in den Regionen von Wollega, Hararghe und Teilen von Bale. Sie versuchte nach dem Regierungswechsel ihren Einfluß auch auf andere Regionen Äthiopiens auszudehnen, worauf die Bevölkerung nur mit Desinteresse reagierte.

Der Demokratisierungsprozeß des gesamten Landes geht langsam voran, doch konnten in den politisch stabilen Regionen im Norden erste lokale demokratische Wahlen erfolgreich durchgeführt werden. Große Probleme bereiten die früheren Soldaten, die im Land umherstreifen, Überfälle auf Zivilpersonen und Fahrzeuge verüben und sich teilweise von der OLF wieder in den Dienst stellen lassen.

Den schweren Auseinandersetzungen im Süd-Westen des Landes liegen politische, religiöse und besonders machtpolitische Interessen zugrunde. Die Konflikte bestehen zwischen den verschiedenen Oromogruppierungen und selbst innerhalb der jeweiligen Gruppe.

Die EPRDF-Regierung und ihre Soldaten werden nur deshalb antidemokratischer Tendenzen beschuldigt, um einen Gegner zu haben, der das Oromovolk einigen soll. Ethnische Konflikte werden dabei nur heraufbeschworen. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der OLF und damit der totale Machtanspruch dieser Partei für alle Oromos zeugen nicht gerade von Demokratieverständnis.

All das gefährdet eine demokratische Entwicklung in den traditionellen Oromogebieten. Die Folgen der jüngsten Überfälle auf Fahrzeuge von internationalen Hilfsorganisationen werden nur die Ärmsten der Bevölkerung (zum Beispiel Flüchtlinge im Ogaden) zu tragen haben. Marliese Rothweiler-Spohn, Engstingen