: NEUE BÜRGERINITIATIVE GEGEN VERKEHRSBELASTUNG IN OBERSTDORF
Allgäuer Doppel-Hammer
Oberstdorf (taz) — Er versteht etwas vom Umgang mit den Medien, der Oberstdorfer Bürgermeister Eduard Geyer, der nicht davor zurückschreckt, den Anschluß an Österreich zu fordern, einem überehrgeizigen Rentner einen Sheriff- Stern anzustecken oder ungeliebte Naturschützer als Bolschewiken zu beschimpfen und gegen sie ein Rathausverbot zu verhängen. Sein Talent hat Eduard Geyer dieser Tage wieder bewiesen, als ihn die Zeitschrift 'natur‘ mit dem „Hammer des Monats“ auszeichnete — für den GAU, den größten anzunehmenden Unfug in Sachen Umwelt.
Geyer hatte sich die Auszeichnung „verdient“, weil er versucht hatte, die schlechte Luft in Oberstdorf dadurch in den Griff zu bekommen, daß er kurzerhand beim bayerischen Innenministerium die Verschiebung der fälligen Schadstoffmessungen beantragte und auch genehmigt bekam. Die Redakteure des Magazins ließ der Gemeindechef wissen, daß er schon Wert darauf legt, den Hammer persönlich überreicht zu bekommen, was denn am vergangenen Freitag auch geschah. Ironisch erklärte Eduard Geyer, der seinen Namen gerne mit Ed. Geyer abkürzt: „Ich habe die Verschiebung der Schadstoffmessung nur beantragt, um den Hammer des Monats zu bekommen, und nicht etwa deshalb, weil in diesem Jahr gravierende Änderungen im Verkehrsgeschehen in Oberstdorf beabsichtigt sind!“ Seit 15 Jahren, so der Bund Naturschutz in Oberstdorf, predige Geyer die Verkehrsberuhigung — geschehen sei wenig. Geyer wiederum behauptet, soviel getan zu haben wie kein anderer Gemeindechef. „Wir sind unglaublich weit mit der Verkehrsberuhigung, wir sind Vorreiter auf diesem Gebiet“, beteuerte er bei der „Hammer“-Übergabe. Und weil das von seinen Kritikern — „insbesondere von meinen bolschewistischen Freunden“ — nicht genügend gewürdigt werde, verlieh er seinerseits den „Hammer des Jahres“ an die 'natur‘- Redakteure und Naturschützer.
Der Doppel-Hammer von Oberstdorf darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Unzufriedenheit bei vielen Bürgern und Kurgästen wächst. Längst ist von einer „Mogelpackung des Bürgermeisters“ die Rede. „Wo soll denn bitte verkehrsberuhigt worden sein? Hören Sie doch selbst, wie es bei uns — hier im Wohngebiet — zugeht“, empört sich eine ältere Frau in einer vielbefahrenen Seitenstraße. Ein Nachbar stimmt ihr zu: „Da ist doch nur Verkehr verlagert worden und nicht wirklich etwas geschehen.“
Das soll sich allerdings ändern. Denn für den vergangenen Freitag abend hatte eine ganze Reihe von „gestandenen Oberstdorfern“, darunter der einflußreichste Hotelier am Ort, zur Gründung einer „Bürgerinitiative verkehrsberuhigtes Oberstdorf“ eingeladen. Schon einige Tage vor der Gründerversammlung waren knapp 100 Bürger zusammengekommen, um gegen die andauernden Lippenbekenntnisse zu wettern. Die Bergbahnen sowie einige Einzelhändler und Landwirte würden sich gegen die konkreten Maßnahmen wehren, wurde kritisiert. Und Oberstdorf ersticke im Verkehr.
Der Bürgermeister, der mit sich und seinen Leistungen voll zufrieden ist, steckt in der Zwickmühle. Den einen gehen die Maßnahmen nicht weit genug, die anderen — sprich der Gewerbeverband — sehen gar die Existenz der Geschäfte durch eine Verkehrsberuhigung gefährdet. Doch die Oberstdorfer Kritiker wollen jetzt einen Gang zulegen. Just im „Wilden Männle“, der Stammkneipe des Bürgermeisters und seiner Freunde, gründeten sie ihre Bürgerinitiative. Ein doppelter Hammer für den Gemeindechef! Klaus Wittmann
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