: Da, jetzt legt sie ein Ei!
■ Sielmann 2000, Mo., RTL plus, 20.15 Uhr
Sollte es sich um einen jener erstaunlichen Zufälle der Programmgestaltung handeln, oder hat irgendeine Känguruh-Liga klammheimlich die Australische Woche ausgerufen? Am Sonntag machte Hajo Friedrichs auf seiner Reise durch die Wunderbare Welt auf dem 5. Kontinent Station und wußte von einer „Dämmerung im Paradies“ zu berichten. Und exakt 24 Stunden darauf lieh Heinz Sielmann der bedrohten Natur Ohr und Stimme: „Koalas klagen an!“ Auch wenn der Materie Unkundige Sielmann 2000 noch immer für ein neues Waschmittel halten mögen, er bleibt der letzte Dinosaurier des deutschen Tierfilms. Wenn er sich auf dem Dach seines Jeeps oder auf einem kecken Felsvorsprung in Positur setzt, wird auch die bedrohteste Natur zur Bildtapete. Und wenn's denn doch mal Böses (wie Aufnahmen einer nächtlichen Jagd auf Känguruhs) zu sehen gibt, kann man sich stets darauf verlassen, alsbald wieder mit Erbaulichem beglückt zu werden: „Im Morgennebel suchen Spaltfuß-Gänse nach Nahrung.“
Doch die wahren Qualitäten von Sielmann 2000 liegen in der Sprachgewalt des Hauptdarstellers und seinem Vermögen, sich in das Seelenleben der Geschöpfe einzufühlen. „Wenn es darauf ankommt, ist der Waran ein pfeilschneller Jäger. Das weiß auch der Lappenkibitz...“ Und desgleichen wußte Sielmann auch, daß „der Sattelstorch auf der Hut sein muß“.
Doch wer oder was dem Tierchen da ans Leder wollte, wurde leider nicht berichtet. Denn dessen Flucht wurde jäh beendet von Damenbinden, Ostereiern, Krankenversicherungen und was der Werbeblock da sonst noch alles offerierte.
Dennoch wußte Sielmann die Spannung in der ihm eigenen Art immer wieder dem Siedepunkt entgegenzutreiben, indem er auf einen simplen, aber wirkungsvollen Kniff aus der dramaturgischen Zauberkiste setzte: das mit dem Flair der Sensation hervorgepreßte, schlichte Wörtchen: „Da!“. Die Musik verstummt, ein kurzes Rascheln im Gehölz, ein Zoom auf die angstvoll geweiteten Pupillen eines Vogels und... „Da! — jetzt legt sie ein Ei!“ Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen